Jede Zeit hat das Recht, das ihrem Geiste, ihrer Kultur und ihren Grundanschauungen entspricht.“
Franz Gürtner, Reichsjustizminister, Träger des Goldenen Parteiabzeichens der NSDAP 1)
Aus … aus und vorbei! Finito, file closed, konjez und bon voyage! Oder, wie der AK NSU seit Ewigkeiten schreibt: Schlußgestrichen! Der NSU ist Geschichte, ein Fall für den History Channel, Wichsvorlage für die Zivilgesellschaft. Der BGH verwarf die Revision der Zschäpeanwälte,2) das Urteil gegen Beate ist rechtskräftig, Schlußstrich auch bei Gerlach und Wohlleben, nur für André Eminger geht’s eine Runde weiter, die BAW will Nachschlag für den Nazi-Twin.
Nach Kriminalisten, Parlamenten und Wikipedia hat auch die Justiz die Existenz des NSU-Phantoms bestätigt, endgültig und für immer, in aller Unabhängigkeit: Alles korrekt bei Götzl; keine Rechtsfehler, Beate Zschäpe hat gemeinsam mit Böhnhardt und Mundlos zehn Menschen ermordet, Bombenanschläge und Raubüberfälle verübt, schon die Uwes ohne Spuren zu hinterlassen und ohne Zeugen, Beate mußte dafür nicht mal aus dem Haus.
Gemeinsame Planungen für die Verbrechen bleiben reine Projektion, sie ergeben sich aus der Mitgliedschaft im terroristischen NSU, wie sich die Mitgliedschaft aus den Straftaten ergibt, ein Zirkelschluß und Beweis durch Behauptung, aber das ist alles ohne Belang. Was allein zählt: Zschäpes lebenslange Freiheitsstrafe geht auch für den BGH in Ordnung, nur daß die Morde in Dortmund und Kassel irgendwie zusammengehören.
Beates Anwälte sind ein bißchen enttäuscht, auch das keine Überraschung, Wolfgang Stahl glaubt, „dass diese Entscheidung auf heftige Kritik in der Wissenschaft stoßen wird.“,3) eine weitere Illusion möglicherweise. Kaum jemand, der in diesem Land noch Wert auf Reputation und Fortkommen legt, kritisiert noch irgendwas, heftig schon gar nicht, außer Godfather a. D. Thomas Fischer vielleicht, der darf das, für ein paar Renteneuros in heruntergekommenen Schmierblättern.
Beates „Vertrauensanwalt“ Mathias Grasel, der das dilettantische Geständnis seiner Mandantin vermutlich selbst geschrieben und sie erst richtig reingeritten hat, findet, „der BGH habe seine bisherige Linie zur Mittäterschaft verlassen und die Strafbarkeit der Mittäterschaft massiv ausgedehnt.“
Na und, Herr Grasel? Wen juckt das? Das gab es immer, daß bisherige Rechtsprechung aufgegeben wurde, siehe Reichsminister Gürtner, und der sollte es wissen. Grasel will nun das Fiasko mit Zschäpe besprechen und erwägt eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht.4) Na dann, viel Glück!
Was bleibt?
Manche von uns, die wir jahrelang geleakte Ermittlungsakten verschlungen haben, Protokolle von Untersuchungsausschüssen, dicke Abschlußberichte diskutiert, Bücher, Zeitungsmeldungen, TV-Reportagen seziert und den „Jahrhundertprozeß“, glaubten, eine kritische Gegenöffentlichkeit könne das Lügenkartell sprengen, die Wahrheit würde über den NSU-Schwindel triumphieren, den Rechtsstaat retten oder die Demokratie oder wenigstens die Menschen wecken und haben mit gewaltigem Einsatz, auch unter persönlichem Risiko, die grotesken Widersprüche der staatlichen NSU-Fiktion aufgedeckt. Solche Ambitionen gab es, das wirkt heute naiv, niemand muß sich dafür entschuldigen, nur genützt hat es nichts.
Die konservative Revolution fällt aus, die sozialistische auch, keine patriotische Regierung wird den NSU-Schwindel kassieren, KDF zur Verantwortung ziehen oder Merkel vor Gericht stellen. Kein Nürnberg 2.0, keine Gerechtigkeit für Beate Zschäpe. Gar nichts.
Die angebliche Ceska-Mordserie bleibt unaufgeklärt, die Brandstifter (oder das Sprengkommando), die das Terrornest in der Zwickauer Frühlingsstraße freilegten, gehen straffrei aus, endgültig, verjährt, vergessen, verziehen. Niemand verliert deshalb seinen Pensionsanspruch.
Revision
Ich denke, bis zu diesem Punkt sind sich die Hobbyermittler einig, was die Toten betrifft, die Opfer der Mordserie, den Heilbronner Polizistenmord und die behauptete Selbsttötung im Stregdaer Wohnmobil, da gehen die Spekulationen auseinander, jeder hat sich im Laufe der Jahre sein eigenes NSU-Puzzle zusammengesetzt, seine für den Rest der Ewigkeit unbewiesene Lieblingsthese. Damit müssen wir leben.
Meine kennt ihr einigermaßen, was gesellschaftliche Simulationen betrifft, da ist mein Mißtrauen radikaler als das der „Realisten“, mein Verdacht, was auf der Rückseite des Mondes an psychologischer Kriegsführung inzwischen gängige Praxis ist, aber das hat mich nie gehindert, Fakten von Mutmaßungen zu trennen, gedankliche Leistungen anderer von Polemik.
Ungelöst bleiben die „letzten Fragen“: War es nun Todesangst, daß Beate zur Kronzeugin gegen sich selbst wurde oder half sie bereitwillig mit im Klassenauftrag und unter hohen Opfern, den NSU-Schwindel gerichtsfest zu machen? Hat sie eigenmächtig KDFs fürsorglichen Plan geändert, die Verteidigungsstrategie „seiner“ Anwälte Heer, Stahl und Sturm verlassen, die Nerven verloren, und mit Borchert und Grasel und einem irren Geständnis ihren Untergang selbst herbeigeführt? Sich an einen herbeihalluzinierten Deal geklammert, für den es nie eine Zusage gab? Ging es um die von der BAW geforderte Sicherungsverwahrung? Eine Mischung aus all dem?
An eine Bedrohung für ihr Leben habe ich nie recht geglaubt, schon eher, daß sie dem Charme der Macht und Versprechungen auf den Leim ging, die Klaus-Dieter Fritsche und seine sächsischen Helfer nicht einlösen konnten, weil sie sich selbst überschätzten und die Kontrolle verloren über Komplikationen aus Zuständigkeiten, politischen Kaskaden und gewöhnlichen Zufällen des Lebens.
Läßt dieser Staat Beate Zschäpe nun im Knast verrotten, weil niemand mehr im Dienst ist, der sie retten kann und ihre wirkliche Geschichte kennt? Oder setzt sie irgendwo mit einer weiteren neuen Identität ein tristes Dasein im staatlich alimentierten „Untergrund“ fort, das einzige, was sie kann? Möglich, wir werden es nicht erfahren, in jedem Fall ein sinnlos verpfuschtes Leben. Wofür?
Wer dieses miserable Spiel verloren hat, ist somit klar, aber wer hat gesiegt? Ich meine, alles in allem, im komplizierten Machtgefüge einer finalen Scheindemokratie: die Fasces, der Bund, über gleichgeschaltete Länder.
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1) zitiert nach:
http://www.weissensee-verlag.de/autoren/Hartl/hartl_das_nationalsozialistische_willensstrafrecht_kurz.pdf
2) https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/2021157.html
3) https://www.sueddeutsche.de/politik/bgh-entscheidung-zum-nsu-urteil-beate-zschaepe-ist-eine-moerderin-obwohl-sie-an-keinem-tatort-war-1.5386573
Grasel: „Es seien reine Mutmaßungen, dass Zschäpe gemeinsam mit ihren Gefährten die Ausspähskizzen der Tatorte ausgewertet habe und bei den Entscheidungen der Männer dabei gewesen sei, wer angegriffen werden soll. Das werde von der Beweisaufnahme nicht gestützt.“
Stimmt, interessiert nur niemanden.
4) https://www.stimme.de/suedwesten/nachrichten/pl/anwalt-mit-zschaepe-ueber-moegliche-rechtliche-schritte;art19070,4522622
Imo war der Grundfehler der Verteidigung, alles auf 2 Tote abzuschieben, anstatt die fehlenden Tatortbeweise, die „unpassenden“ Phantombilder“ und das „Bekennervideo ohne Bekenntnis“ anzugreifen. Man hat somit letztlich das Narrativ des Staates gestützt und akzeptiert. Ein fataler Fehler, der nur durch das noch fatalere falsche Geständnis getoppt wurde.
Wir stecken in Zschäpe nicht drin. Ich nehme für das Danach die für mich einfachste Erklärung. Stockholm-Syndrom. Zschäpe ist seit 2011 sicher, egal wer was mit ihr behufs welchen Zweckes auch immer beredet hat. Im Knast ist sie wohl wer, wenn man den dürren Meldungen glaubt. Ihr Leben ist geregelt.
Es war vorher schon Scheiße, ist es jetzt auch, aber irgendwie besser als vorher. Der Druck aus dem Innenministerium ist weg. Es ist gut möglich, daß sie sich verbessert hat.