Und immer trifft es die Polizistinnen und Polizisten, die für ein bescheidenes Einkommen ihren Kopf für uns alle hinhalten. Und die an Leib und Seele Schaden nehmen, wenn Wutbürger aller Art sie als Prellbock für ihre Frustrationen missbrauchen.“
Georg Anastasiadis, Chefredakteur Merkur
Am 31. Januar wurden in der Westpfalz zwei Polizisten erschossen. Die Opfer: der 29jährige Oberkommissar Alexander Klos und die 24jährige Polizeianwärterin Yasmin Bux.1) Bundesweites Entsetzen auf allen Kanälen und öffentliche Hatz nach dem mutmaßlichen Täter, mit Foto und Namen, noch am selben Tag wird er im saarländischen Sulzbach festgenommen, zusammen mit seinem Komplizen.
Trotz Umwertung aller Werte seit Jahren, ein Polizistenmord trifft noch immer einen empfindlichen Nerv, so scheint es, von „hinterhältiger Tat“ ist die Rede, vom „Angriff auf den Staat“, einem „schrillen Alarmruf für uns alle“, Nancy Faeser, sog. Bundesinnenministerin spricht von Hinrichtung.2) Wie sie darauf kommt? Vermutlich der Kopfschüsse wegen, dem Beamten Klos soll in den Hinterkopf geschossen worden sein.3)
Über den Hauptverdächtigen wissen wir am Abend Bescheid: der finanzielle Druck, das Wildern, drohende Insolvenz, Trennung – alles wird rausgekramt, das ganze kleinbürgerliche Elend, für die Medienmeute eine Fingerübung, während der Pawolow’sche Spürhund in uns an den Mordanschlag auf Kiesewetter und Arnold denkt, 2007 in Heilbronn, jenseits des NSU-Märchens bis heute nicht aufgeklärt. So viel zur Bedeutung ermordeter Polizisten.4)
Auch diesmal gibt es ein paar Probleme und schon wieder einen gefundenen Personalausweis. Erstes Indiz, das etwas faul sein könnte oder doch nur Verschwörungswahn?
Dubiose Personen
Abläufe, Tatumstände und der gesellschaftliche Rattenschwanz jedenfalls, auf der Pressekonferenz der Westpfälzer Polizei präsentiert, machen skeptisch.5)
Um Eigentumskriminalität ging’s beim geplanten Polizeieinsatz in der Nacht vom Sonntag auf Montag, irgendwo im Niemandsland bei Kusel, in der Nähe eines Truppenübungsplatzes, um einen bekannten Dieb oder Einbrecher aus der Gegend also, den man endlich in flagranti ertappen wollte und bei dem „keine Hinweise auf Waffen“ vorgelegen hätten. Wie konnte man da so sicher sein?
Drei Fahrzeuge seien im Einsatz gewesen: zwei Funkstreifenwagen und ein Zivilfahrzeug, in letzerem die beiden späteren Opfer, sie sollten aufklären und Weiteres den Kollegen überlassen, auch Personenkontrollen.
Trotzdem hätten sie zwischen Mayweilerhof und Ulmet „dubiose Personen festgestellt“, der Kofferraum ihres Fahrzeuges sei voller Wildtiere. Das geben sie um 4.19 Uhr per Funk durch und fordern Unterstützung an. Ziemlich vage und mit ihrem Auftrag hat es wenig zu tun; was die Kollegen antworten, erfahren wir nicht. Unmittelbar darauf der Hilferuf: „Komm schnell, die schieße, die schieße, komm schnell!“, jetzt erst reichen sie ihren Standort nach: „Wir sind zwischen Ulmet und vierzig zwölf ist gleich in Erdesbach (?), wir kommen.“ (phon. PK min 6.40). Dann sei ein Schuß zu hören gewesen und der Funkverkehr bricht ab.
Erst zwölf Minuten später treffen die Unterstützungskräfte ein, die Anwärterin liegt bereits tot vor dem Zivilfahrzeug, ihr Kollege schwer verletzt an einer Böschung, auch er verstirbt kurz darauf.6)
22 Hirsche und 51 Sekunden
Im Fluchtauto der Tatverdächtigen werden später zweiundzwanzig Stück Damwild gefunden; Bäckermeister Schmitt und sein Helfer Florian haben das Kunststück geschafft, in einer Nacht ein stattliches Rudel zu erlegen. Zweiundzwanzig Hirsche, die, aus irgendeinem Grund durch die ersten Schüsse nicht verschreckt, geduldig auf den Abschuß warten, statt das Revier schleunigst zu verlassen? Niedergestreckt im Viertelstundentakt, ein Gemetzel, das unbemerkt bleibt? Schmitt habe sogar aus dem Auto heraus geschossen, eine nächtliche Safari?7)
Getroffenes Wild kann hunderte Meter weiterlaufen, es gibt eine Nachsuche im Dunkeln, schwierig genug, trotz Nachtsichtgerät (?) und Hunden, das verwundete Tier wird „abgefangen“, also getötet, direkt (?) zum Renault-Kastenwagen transportiert und dort verladen, das Fahrzeug aber steht nicht auf einem Waldweg, sondern, für jeden sichtbar, am Straßenrand?
Jedenfalls: Eine Menge Arbeit für ein paar Nachtstunden, ein männlicher Damhirsch bringt es auf durchschnittlich 70 Kilogramm, Hirschkühe auf etwas mehr als die Hälfte. Schmitt will das Fleisch verkaufen: Die Wildbrethygiene verlangt, erlegtes Wild wegen schneller Keimbildung innerhalb von zwei Stunden „aufzubrechen“ und zu „versorgen“.
Dort am Straßenrand der K22 fallen sie der Zivilstreife auf, den Polizisten kommt der Transporter verdächtig vor. Halten sie an, um mal eben in den Laderaum zu schauen? Die Hecktüren seien offen gewesen, mutmaßt die Polizei.8) Sprechen Klos und Bux den Fahrer an – entgegen der Einsatzweisung, nur aufzuklären? Eine Dashcam, die das aufzeichnet, gibt es nicht.
So viel scheint klar: Die Anwärterin überprüft Schmitts Führerschein und – den Personalausweis. Warum diesen? Der gesuchte Dieb aus der Gegend ist es nicht. Was will sie noch? Fällt Schmitt keine Erklärung ein, warum man dort hält? Eine Panne, ein wichtiger Anruf, irgendwas? Auf Fotos wirkt er offen, sympathisch, kommunikativ.
Trotzdem der Funkspruch: Dubiose Personen … Aber wie geht es weiter? Warum keine Eigensicherung, obwohl „dubiose Personen“ mit einer Ladung Wild durchaus bewaffnet sein können? Die Waffen bemerken sie bei der Kontrolle nicht? Weil die abgedeckt sind und nicht wirklich „griffbereit“? Liegen sie im Frachtraum? Auch bei Renault beginnt die durch eine Wand abgetrennte Ladefläche direkt hinter dem Sitz.
Beim Umfang seiner illegalen Jagden mußte Schmitt damit rechnen, daß es eines Tages zu Ende sein würde, zufällige Zeugen, eine Verkehrskontrolle, ein Unfall. Hatte er für diese Situation einen Plan? Hat er den Vorsatz bereits gefaßt, notfalls zu schießen, um seine desolate Existenz zu retten? Warum gibt er dann seine Papiere überhaupt erst heraus?
Schmitt tötet plötzlich beide Polizisten, denn Florian V. bestreitet eine Beteiligung,9) zuerst die Anwärterin, die seinen Führerschein überprüft, mit einem gezielten Kopfschuß aus der Schrotflinte, dann feuert er vier mal auf ihren Kollegen? Er müßte die Waffe wechseln, nachladen, ein Alleintäter sei kaum vorstellbar in der Dynamik des Geschehens, meint Oberstaatsanwalt Orten. Zuletzt wird auch Klos in den Kopf getroffen, die Hinrichtung, die der Polizist zunächst schwer verwundet überlebt?
Der Beamte hat das Feuer erwidert, das steht fest, er schießt vierzehn mal aus seiner Dienstwaffe, das ganze Magazin. Dem Angreifer mit dem Jagdgewehr gegenüber ist er eigentlich im Vorteil, geht er in Deckung, als seine Kollegin angeschossen wird? Setzt er dort den zweiten Funkspruch ab: „Komm schnell, die schieße …“? Hat er in dieser Situation dafür so viel Zeit? Immerhin 51 Sekunden, solange dauert diese zweite Verbindung.10)
Klos trifft den Transporter, vermutlich sogar einen Reifen, aber keinen der Angreifer, beide bleiben unverletzt. Der kaltblütige Mörder und sein Komplize fahren davon, Richtung Sulzbach, in die Wohnung von V., Führerschein und Personalausweis haben sie nicht gefunden. Das wirkt seltsam: Wie weit von der tödlich getroffenen Beamten entfernt fallen die zu Boden? Doch wohl eher im Nahbereich?
Komplikationen auch auf der Flucht: Nach wenigen Kilometern sei das beschädigte Fahrzeug liegengeblieben, berichtet der Spiegel, Schmitt habe einen Bekannten angerufen, der schleppt den Transporter ab – bis vor die Haustür von Florian V.?11)
Ein fast normaler Arbeitstag
Zwölf Minuten nach dem Schußwechsel sind die Kollegen am Tatort, finden die Opfer und Papiere des flüchtigen mutmaßlichen Mörders. Zwölf Minuten, das ist viel, zieht man vier Minuten für’s Anlegen der Schutzausrüstung ab, wie weit ist die Anfahrt, etwa zehn Kilometer bei 80 km/h? Erstaunlich für einen Einsatz, bei dem man gemeinsam einen Dieb auf frischer Tat ertappen will. Weil man nicht genau wußte, woher der Funkspruch kam? Kein ständiger Funkverkehr, keine Abstimmung, wohin man gerade fährt?
In dem Moment, als die beiden Polizisten nicht mehr erreichbar sind, muß der Einsatzleitung klar sein, daß die gefallenen Schüsse damit im Zusammenhang stehen, daß die Kollegen verletzt sind und jede Minute zählt. Und doch wird keine Ringfahndung ausgelöst? Keine Straßenkontrollen, kein sofortiger Hubschraubereinsatz? Wenn das Fluchtauto liegengeblieben war, wäre die Fahndung möglicherweise schon nach kurzer Zeit beendet.
Aber man hat ja die Adresse des flüchtigen Täters. Die Maßnahmen konzentrieren sich in Richtung Saarland, wo der Verdächtige lebt, man sucht ihn später auch öffentlich, in allen Medien, nur Schmitt und sein Helfer scheinen davon nichts mitzubekommen, sie zerwirken seelenruhig Wild bei Florian V., als sei nichts passiert, das Fluchtfahrzeug mit Einschüssen und Jagdbeute steht vorm Haus, auch die mutmaßlichen Tatwaffen, eine doppelläufige Schrotflinte und eine Winchester „Bergara 308“12), selbst die Taschenlampe eines der Mordopfer werden dort sichergestellt;13) eine „Beweisorgie“ – wieder mal. Bei Durchsuchungen finden die Beamten weitere Waffen und tonnenweise verarbeitetes Wild.14)
Keine spektakuläre Flucht, kein Amoklauf, kein erweiterter Suizid, kein Kampf, kein Abgang mit großem Knall – nichts davon: Einsatzkräfte nehmen die mutmaßlichen Täter in Sulzbach fest, ohne Widerstand, Schmitt zuerst, als er 17.05 Uhr die Unterkunft verläßt. Er trägt seine Arbeitsschürze.
Jägerlatein
Wer ist der Täter? Die öffentliche Meinung hat ihr Urteil schnell gefällt: Eine gescheiterte Existenz, ein Gesetzloser, einer, der „reizbar“ ist, mit einer „kurzen Zündschnur“, der seine Hunde frei rumlaufen ließ, ein Versicherungsbetrüger, jemand, der zu viel wollte und auf die schiefe Bahn geriet und für den es immer enger wurde, eine Abwärtsspirale, an deren Ende er zwei Polizisten erschießt. Eine klassische Verdeckungsstraftat, die nichts verdeckte, weil man den Ausweis vergaß.
Doch es scheint perfekt zu passen: die Insolvenzverschleppung der Bäckerei, der anrüchige Handel mit Wildfleisch, die Fahrerflucht, verlorene Jagdberechtigung, familiäre Probleme. Wenn jetzt die Wilderei aufflog, dann war alles aus, das durfte nicht geschehen, er mußte die Beamten beseitigen, die ihn kontrollierten und die Jagdbeute gesehen hatten, einen anderen Ausweg gab es nicht. Das ist in etwa die Erzählung vom Wilddieb Schmitt, der zum Polizistenmörder wird.
Wer lange genug sucht, entdeckt noch eine andere Seite: den gut vernetzten Macher, der nicht aufgibt trotz aller Rückschläge, den Familienmenschen, den Wohltäter. Ein moderner Dr. Jekyll also, der tagsüber Gebäck verkauft und nachts als Jäger Hyde im heiligen Deutschen Wald zur Killermaschine mutiert.
Nachträglich schickt der oberste rheinland-pfälzische Jäger eine Warnung ins Revier:15)
In den letzten zwei, drei Jahren sei Andreas S. dann zum Wildern übergegangen, so Mahr, und habe 400 bis 500 Stück Schalenwild pro Jahr geschossen und verarbeitet – also Rehe, Hirsche, Wildschweine. Das „Bermudadreieck“ seiner Jagd-Aktivitäten lag laut Mahr zwischen französischer Grenze, Kaiserslautern und Kusel und umfasste damit rund 480 Jagd-Reviere.
„Ich würde es nicht ausschließen, dass wir auch auf der Liste von diesem Herrn gestanden haben könnten“, sagt Mahr und erzählt von einer seltsamen Begegnung „mit Fahrgeräuschen und Kleinkaliberschuss“.
Mahr mahnt in der Sprachnachricht seine Jäger im Verband zur Vorsicht: „Im Notfall mit der Waffe im Anschlag ans Auto zurückkehren, wenn man ein ungutes Gefühl hat.“
Mahr: „Hoffentlich ist dieser Bastard jetzt aus dem Verkehr gezogen.“
Davon ist wohl auszugehen, aber 400 bis 500 Tiere pro Jahr? Woher nimmt er das? Nicht immer dürfte der Verdächtige so unverschämtes Jagdglück gehabt haben wie zuletzt, bei ein bis zwei geschossenen Tieren pro Jagd wäre er fast jede Nacht unterwegs gewesen. Sein Treiben war bekannt und niemand konnte ihn stoppen? Mehrere Verfahren nach Anzeigen wegen Wilderei jedenfalls wurden eingestellt aus Mangel an Beweisen, bisher kam er immer davon.
Tabu
Das Wasser mag Schmitt bis zum Hals gestanden haben, durch Gewaltdelikte war er nicht aufgefallen, der Jagdunfall mit Schrotflinte, für den er 90 Tagessätze bekam, widerspricht dem nicht. Zur „Hinrichtung“, dem kaltblütigen Doppelmord will auch die überstürzte Flucht vom Tatort nicht recht passen.
Erinnert ihr euch an die „rassistische“ Operative Fallanalyse des LKA Baden-Württemberg für die BAO „Bosporus“, die helfen sollte, die Dönermorde aufzuklären und Deutschen grundsätzlich eine hohe Hemmschwelle bei Mord attestiert? Die schrieben damals:16)
Vor dem Hintergrund, dass die Tötung von Menschen in unserem Kulturraum mit einem hohen Tabu belegt ist, ist abzuleiten, dass der Täter hinsichtlich seines Verhaltenssystems weit außerhalb des hiesigen Normen- und Wertesystems verortet ist.“
Dieses kulturelle Tabu dürfte für den Mord an Polizisten erst recht gelten, noch immer. In der Westpfalz wurde der letzte Polizist vor 50 Jahren von der RAF erschossen:17)
Am 22. Dezember 1971 unternahmen sieben RAF-Mitglieder einen Überfall auf die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank in Kaiserslautern, Fackelstraße 29 und erbeuteten 134.000 DM. Der damals 32-jährige Schoner wurde vor der Bankfiliale auf einen roten Kleinbus aufmerksam, der im Haltverbot stand. Als er den Fahrer kontrollieren wollte, schoss dieser sofort. Der Polizist schaffte es, sich verletzt zur Eingangstür zu schleppen. Dort traf er auf die hinausstürzenden Terroristen, die ihn erschossen.
Reichte eine drohende Anzeige wegen unerlaubter Jagd, um diese starke psychologische Barriere bei Schmitt plötzlich niederzureißen? Oder sind doch die Montagspaziergänger schuld?
„Was macht das mit einem?“
Fassungslosigkeit bei den Ermittlern auf der Pressekonferenz der Polizei, aber noch wichtiger: die Befindlichkeiten des Staates, das Schreckliche in einen größeren Zusammenhang stellen, darum geht es, um subtile Schuldzuweisungen, Konsequenzen. Die Bratsche spielt Dr. Gehring, der Leitende Oberstaatsanwalt:18)
Ich sehe bei der Polizei eine Kultur der Vernunft, eine Kultur der Höflichkeit, was das Verhältnis zum Bürger betrifft und ich bringe das nicht zusammen mit dem blinden Haß, der manchmal den Vollzugsorganen entgegenschlägt. Ich gehe davon aus, daß dieser blinde Haß zu einem gesellschaftlichen Problem geworden ist, daß er nicht durch die Polizei provoziert wird, nicht durch das Verhalten der Polizei provoziert wird, sondern eine andere Ursache hat, die wir angehen müssen.“
Was darf Satire, und irgendwann fragt ein RTL-Journalist den Polizeipräsidenten das Unvermeidliche: „Was macht das mit Ihnen, was macht das mit den Kollegen im Polizeipräsidium?“, von LOStA Gehring will er wissen:
Sie haben es angesprochen, es macht fassungslos, wie mit den Vollzugsorganen teilweise umgegangen wird, haben Sie gesagt. […] Haben Sie den Eindruck, daß es vermehrt zu solchen Fällen kommt und daß es […] auch schon unterschwellig beginnt mit Respektlosigkeit, Haß gegen Polizeibeamte oder andere offizielle Personen […]“
Startschuß für eine weitere Runde Betroffenheit, die das Denunzieren von Bürgerprotesten kaum verhüllt. Der Polizeipräsident berichtet über seine innere Bewegtheit und Tränen in den Augen, beiläufig erwähnt er die Spaziergänge. LOStA Gehring antwortet mit einer bizarren Heiligsprechung der Deutschen Polizei:
Polizei und Justiz befassen sich mit Fakten. Jetzt haben wir schon öfter erlebt, daß der Polizei in konkreten Verfahren Vorwürfe gemacht werden, sie würden irgendwie falsch vorgehen, sie würden Gewalt anwenden, die nicht notwendig ist usw.
Dafür gibt es rechtsstaatliche Mechanismen, wir untersuchen diese Vorfälle, und aus dieser Erfahrung heraus bin ich sicher, daß es hier keine Kultur, keine [unverständlich] in der Richtung gibt, sondern im Gegenteil, die Polizei geht mit diesen Vorwürfen auch um, sie versucht, sich auch nach außen so darzustellen, wie sie ist, nämlich, sie versucht einfach ihre Aufgabe zu erfüllen.
Und das hat mich zu dem Schluß kommen lassen, daß diese Vorwürfe – zum großen Teil sind die nicht provoziert oder veranlaßt durch irgendein Verhalten der Polizei, sondern ideologisch bestimmt und sind letztendlich gegen den Staat als solches gerichtet.
Das ist auch wieder nicht nachvollziehbar, weil es gibt keine Alternative zu einem demokratischen Rechtsstaat.
Und dieses Klima, also die ideologische Begründung von Vorwürfen, die keinen Anhaltspunkt in der Realität haben, das kann ja auch mal gefährlich werden und es könnte sein, daß auch dieser Fall damit zusammenhängt, wenn nämlich allgemein die Hemmschwelle gesenkt wird, wenn man den Staat als Haßobjekt sieht, obwohl es der eigene Staat ist, der die eigene Sicherheit garantiert, der die eigene Freiheit auch garantiert.
Und deswegen ist das sehr besorgniserregend.“
Da ist sie wieder, die Hemmschwelle, diesmal abgesenkt. Aber bei wem? Prügelnde Polizisten auf Coronademos, martialisches Auftreten schwarz uniformierter Milizen, Brutalität sogar gegen Alte und Behinderte, aus nichtigen Anlässen, offenkundig ein Konzept der Einschüchterung und Abschreckung, die sollen eigene Freiheit garantieren?
Ganz sicher ist das „ideologisch bestimmt“, aber nicht von Menschen, die Grundrechte einfordern, sondern von den radikalisierten Dienstherren der Dr. Gehrings und Polizeipräsidenten dieser Republik. Die versuchen im Eiltempo eine Alternative zum demokratischen Rechtsstaat zu errichten und die Justiz macht willig mit, der NSU-Schwindel hat es bewiesen.
Inzwischen finden fast ein Viertel der Bundesbürger, die BRD sei auf dem Weg in eine Diktatur.19) Das ist die Realität, Herr Oberstaatsanwalt, und dazu dürfte die Performance der Polizei erheblich beigetragen haben.
Haß und Hetze
Rechtfertigt Polizeigewalt in Zeiten staatlichen Coronaterrors einen Mord oder sonstige Angriffe auf Polizisten? Gibt es eine „klammheimliche Freude“ bei Spaziergängern? Natürlich nicht. Schwindende Achtung vor Beamten ist kein gewaltbereiter Haß, sie ist Ausdruck sehr verständlicher Enttäuschung.
Den Mord politisch auszuschlachten, zu instrumentalisieren, um Kritik an enthemmten Staatsdienern zum Schweigen zu bringen, um Bürgerproteste moralisch unter Druck zu setzen, zu delegitimieren durch Täter-Opfer-Umkehr, ist ziemlich mies.
Nun sind Schmitt und sein Komplize aber weder Reichsbürger, noch Querdenker oder AfD-Sympathisanten, vorerst jedenfalls, sie sind nur Kriminelle, ganz so leicht funktioniert die Schuldökonomie diesmal nicht. Kein Popanz, der die Gruppenschuld trägt, sondern diffuse Schuldgefühle sollen geweckt werden, bei angeblichen Demokratiefeinden, die in Wahrheit meist „bürgerliche Mitte“ sind. Deshalb nur Andeutungen, der verlogene Umweg über Hemmschwelle und Respektlosigkeit. Die üblichen Verdächtigen werden nicht gebraucht, denn Entsetzen und Verurteilung des Mordes vereinen alle Seiten der gespaltenen Republik, die integrierende Wirkung des Verbrechens verspricht den größeren Nutzen.
Vordergründig richtet sich der politische Zorn daher gegen Beifallsbekundungen zum Doppelmord, gegen „Haß und Hetze im Internet“, aber ohne politisches Risiko: Jene randständigen „dubiosen“ Kommentare, seien sie authentisch oder von interessierter Seite plaziert und aufgebauscht, werden „lagerübergreifend“ ebenso abgelehnt.
Wie praktisch allerdings: Einen Tag nach dem Verbrechen trat die Pflicht für soziale Netzwerke in Kraft, sogenannte Haßpostings künftig nicht mehr nur zu löschen, sondern für strafrechtliche Verfolgung dem Bundeskriminalamt zu melden samt IP-Adresse und Nutzerdaten.20)
Würde machiavellistische Regierungspolitik in der Krise einem Ereignis nachhelfen, das dem häßlichen Bild prügelnder Büttel den Opfergang zweier junger Beamter gegenüberstellt, um Akzeptanz der Bevölkerung für weitere Orwell’sche Gesetze zu erreichen? Ich meine: prinzipiell ja.
Anmerkungen und Links
1) https://de.euronews.com/2022/02/04/polizisten-mord-von-kusel-dreyer-macht-klare-ansage-an-polizei-hasser
2) https://www.rnd.de/panorama/kusel-schuesse-auf-polizisten-nancy-faeser-erinnert-tat-an-hinrichtung-4M4E2IEULMUMYN6QJRITM4SKL4.html
3) https://www.rtl.de/cms/kusel-polizisten-24-29-bei-routinekontrolle-durch-kopfschuesse-getoetet-verdaechtige-festgenommen-4909728.html
4) Dabei spielt übrigens keine Rolle, ob die Mordaufklärung an Landes- bzw. Staatswohlinteressen scheiterte oder an Unfähigkeit trotz ausgesetzter Rekordbelohnung von 300.000 Euro für Täterhinweise. Die mutmaßliche Verbringung der Dienstwaffen von Kiesewetter und Arnold nach Eisenach-Stregda 2011, das Entsorgen des Altfalles beim NSU-Phantom also, zeigt eine schwer erklärbare Vertuschungsabsicht durch die Polizei, die plötzlich „rational“ wirkt, wenn der Mordanschlag eine durch die Polizei selbst durchgeführte Komplettinszenierung und eigentliches Ziel der hohen Belohnung Informationsgewinnung in kriminellen Milieus gewesen ist.
5) https://www.youtube.com/watch?v=t8IXW8OG_v8
6) https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/kriminalitaet/id_91628114/polizistenmord-in-kusel-verdaechtiger-gab-waffen-offiziell-weiter.html
Im Gegensatz zur Pressekonferenz und den meisten Pressemeldungen, ist bei T-Online bei Ankunft der Einsatzkräfte bereits tot.
7) „Mit aller Gewalt“, Der Spiegel, 6/2022, S. 48
8) ebd. S. 47
9) ebd. S. 47
10) Laut Pressekonferenz der Polizei dauert zweite Funkspruch von 4:20:17 Uhr bis 4:21:08 Uhr
11) „Mit aller Gewalt“, Der Spiegel, 6/2022, S. 48
12) ebd. S. 48
13) https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/kriminalitaet/id_91628114/polizistenmord-in-kusel-verdaechtiger-gab-waffen-offiziell-weiter.html
14) „Mit aller Gewalt“, Der Spiegel, 6/2022, S. 46
15) https://www.focus.de/panorama/polizistenmord-von-kusel-hoffentlich-ist-dieser-bastard-aus-dem-verkehr-gezogen-jagd-praesident-redet-tacheles_id_48099917.html
16) https://dserver.bundestag.de/btd/17/146/1714600.pdf
17) https://de.wikipedia.org/wiki/Herbert_Schoner
18) https://www.youtube.com/watch?v=t8IXW8OG_v8
19) https://www.welt.de/politik/deutschland/plus236698929/Vertrauensverlust-Fast-jeder-Vierte-hegt-Zweifel-an-der-Demokratie-in-Deutschland.html
20) https://www.bmj.de/SharedDocs/Artikel/DE/2021/0401_Gesetzespaket_gegen_Hass_und_Hetze.html