Je schwächer die Tatortbeweise desto wichtiger ein Geständnis.
Auf diese Binsenweisheit der Juristen hat im Fall NSU der Rechtsanwalt und VS-Intimus Dr. Helmut Roewer mehrfach hingewiesen; da es weder „Bekennerschriften“ noch „Bekennervideos“ gäbe, von Tatortspuren und Zeugen ganz zu schweigen, sei es umso wichtiger für das Gericht, dass die Angeklagten gestehen.
Nun wissen wir, dass Zschäpe ein falsches Geständnis abgeliefert hat gegen den Willen ihrer 3 Verteidiger Heer Stahl und Sturm, sie hat ihre Version der Historie der Dreierzelle mutmasslich ghostwriten lassen, und dem Gericht -wenn auch vom Hörensagen- die gewünschte „isolierte Mörder- und Bomberzelle“ geliefert, so wie Bundesanwaltschaft und Staatsschutzsenat sie -vermutlich über die Vermittlung der „neuen Anwälte Grasel und Borchert“- haben wollten: 2 tote Täter, und keinerlei Helfer/Mittäter/Netzwerker.
Geliefert wie bestellt, aber auf tönernen Füßen, wie die Verteidigung feststellt:
„Gerade die Argumentation zur Mittäterschaft überzeugt mich nicht einmal ansatzweise“, kritisiert Grasel. Um als Mittäterin zu gelten, bedürfe es „für meine Begriffe deutlich mehr, als zuhause zu sitzen und auf die Rückkehr der Mitbewohner zu warten“.
Dass Zschäpe – wie vom Gericht festgestellt – bei der Auswahl der Tatorte und Opfer beteiligt gewesen sei, sei „rein spekulativ und wird nicht durch das Ergebnis der Beweisaufnahme gestützt“.
Zentraler Punkt seiner Revisionsbegründung werde die Mittäterschaft sein, sagte Grasel. „Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Mittäterschaft steht der erfolgten Verurteilung durch das OLG München entgegen.“
Von einem Zirkelschluss und unscharfer Logik, gar selbsterfüllenden frei erfundenen Postulaten scheint der Ex-BGH-Richter Fischer auszugehen, wie im vorigen Blogbeitrag zitiert.
Es scheint darauf hinauszulaufen, dass da im Hintergrund ein Deal abgearbeitet wird, der schon vor Jahren geschlossen wurde: „Geständnis wie vom Tiefen Staat postuliert“ versus erfolgreiche Revision des Urteils gegen Zschäpe in bezug auf die „Mittäterschaft“ und die „besondere Schwere der Schuld“.
Prognose des Arbeitskreises NSU, aus der folgt: Zschäpe wird keine 15 oder 20 Jahre absitzen müssen.
„Wo ist der Verfassungsschutz, wenn man ihn braucht?“
fragte Beate Zschäpe einmal im Prozess.
Kurz danach tauchte ihr neuer Anwalt Hermann Borchert auf.
Ganz so war das nicht, Zschäpe sendete die Botschaft schriftlich innerhalb eines Briefes, aber im Kern könnte es durchaus hinkommen.
Die These lautet also: Man brachte Zschäpe dazu, dass sie die Regierungsthese der isolierten Terrorzelle ohne Netzwerk bestätigte, und das kann man durchaus als Deal bezeichnen, so es denn einer war, der von ihren „Spezialverteidigern“ eingefädelt wurde.
Inwieweit das Mandantenverrat war, das sollen Juristen beurteilen, jedoch könnte der Deal am Ende aufgehen, im Sinne der Verurteilten „Mittäterin“.
Nebenbei bemerkt: Auch im Fall Verena Becker gab es offenbar einen Deal, der dann zum „kürzesten lebenslänglich aller Zeiten“ für die RAF-Frau und mutmassliche Buback-Mörderin wurde, die sehr wahrscheinlich auch für ihre Spitzeltätigkeit über viele Jahre für BfV und BND belohnt wurde. Deshalb ist die Begnadigungsbegründung geheim und angeblich verschollen.
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Kommen wir zum Fall Stefan Ernst, der gerade angeklagt worden ist als Alleintäter des Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke, denn auch hier steht Mandantenverrat als Vorwurf im Raum:
Es geht um das Geständnis des Stephan Ernst, welches er später -unter einem neuen Verteidiger Frank Hannig- widerrufen hat, und wie es -laut Stefan Ernst- zu diesem Geständnis gekommen ist.
In einer Vernehmung gab Rechtsanwalt Dirk Waldschmidt an, ihm habe Stephan Ernst schon früh gestanden, dass Lübcke für ihn ein „Volksschädling“ gewesen sei, der den Tod verdient habe. Zuvor hatte der mehrfach vorbestrafte Rechtsextremist Ernst seinen Ex-Verteidiger von dessen anwaltlicher Schweigepflicht entbunden.
Interessant, warum hat Ernst seinen „Szeneanwalt“ von der Schweigepflicht entbunden?
Den Todesschuss habe er, Ernst, nur auf sich genommen, weil ihm sein damaliger Anwalt dazu geraten habe, den wirklichen Täter aus den Ermittlungen herauszuhalten. Im Gegenzug sei ihm Geld für seine Familie versprochen worden.
Konkret wurden ihm angeblich eine Vollversorgung für seine Familie versprochen, neue Identitäten, auch für ihn selbst, Entlassung aus der Haft nach ein paar Jahren.
Bedingung: Den als V-Mann verdächtigten Markus Hartmann heraushalten, obwohl der angeblich ihn nicht nur aufgestachelt habe, getriggert, immer wieder, sondern sogar selbst mit am Tatort gewesen sei und den tödlichen Schuss abgegeben habe.
Anwalt Waldschmidt bestritt diese Behauptungen und erstattete Anzeige wegen falscher Verdächtigung gegen Ernst; die Staatsanwaltschaft Kassel ermittelt.
Was nicht im Dummspiegel steht, aber dienstlich bekannt wurde:
Nachdem Ernst den Mord als Einzeltäter gestanden hatte und den Hartmann -angeblich gemäß Deal- herausgehalten hatte, habe der RA Waldschmidt getobt und Äusserungen fielen wie sinngemäß „Jetzt hast Du alles kaputt gemacht, du hast den Hartmann ja doch erwähnt, nämlich als deinen guten Kameraden“, was dann zum Verteidigerwechsel geführt habe.
Dienstlich wurde bekannt, dass man Ernst dann an einen PC setzte und er 30 Minuten Zeit hatte, sich einen anderen Anwalt zu suchen. Er fand derer 3, und darunter war RA Hannig aus Dresden, der den Haftbefehl-Leaker vertrat:
Verteidiger Frank Hannig: „Die Staatsanwaltschaft wollte im Gegenzug für ein gerichtsverwertbares Geständnis im Strafbefehlsverfahren ohne gerichtliche Verhandlung eine Freiheitsstrafe von weniger als zwölf Monaten beantragen.“
„Im Vertrauen auf diese Zusage der Staatsanwaltschaft hatte sich Daniel Zabel umfassend zu den Tatvorwürfen geäußert.“ Doch kurz darauf nahm die Staatsanwaltschaft den Deal zurück.
Der Prozess wurde Mittwoch öffentlich gehalten. Hannig: „Möglicherweise dürfte das Geständnis meines Mandanten nun gerichtlich nicht mehr verwertet werden, weil es unter Verstoß gegen das prozessuale Fairness-Gebot von der Staatsanwaltschaft erpresst wurde.“
So so, die Staatsanwaltschaft erpresste also ein Geständnis, und brach den Deal dann dennoch?
Was sagt uns das in bezug auf Beate Zschäpes Geständnis?
– Zschäpes Deal wurde vom GBA und dem Staatsschutzsenat gebrochen
– Zschäpes Deal wird erst im Rahmen der Revision durch den BGH erfüllt werden
Eines ist klar: Fällt die Mittäterschaft und damit die besondere Schwere der Schuld beim BGH, dann schiene der Deal trotz falschem Geständnis erfüllt, und Mandantenverrat gab es keinen.
Oder sehen das die Juristen anders?
Was noch dienstlich bekannt wurde:
– Ernst entsorgte seine Kleidung, darum konnte man auf der keine Hartmann-DNA und keine Lübcke-DNA finden. Spannend ist die Frage, ob in Ernsts Auto solche „Mittäter-DNA“ gefunden wurde oder ob es ggfs. 2 Autos am Tatort Lübcke waren.
– Ernst entsorgte jedoch NICHT die Tatwaffe mitsamt der in der Trommel steckenden Hülse des Schusses auf Lübcke und weiterer 5 Patronen, sondern vergrub den Revolver in seinem Erddepot bei weiteren dort versteckten Waffen.
– Diese Dummheit beging Ernst laut eigener Aussage, weil ihm Hartmann dazu geraten hatte.
Fakt ist, Ernst wurde als Alleintäter angeklagt, Hartmann war laut Anklage nicht am Tatort Lübcke. Das offiziell verkündete Narrativ wird sich wohl im Prozeß vor dem OLG Frankfurt durchsetzen, so wie das Narrativ vom NSU auch, und im Gegensatz zum Urteil Zschäpe wird es wohl keine Revision beim BGH geben.
Ernst hatte die Tatwaffe, Ernst war laut eigener Aussage am Tatort. Ernst hat den Mord gestanden, da wird ihm der Widerruf nichts nützen, und ob die Verteidigung den Hartmann entgegen des staatlichen Narrativs an den Tatort bekommt darf bezweifelt werden.
Wie der Staat Geständnisse produziert bzw. „erpresst“, das ist ein spekulatives, aber spannendes Thema. Bezweifeln darf man durchaus, dass da alles immer mit legalen Mitteln abläuft.