„Das Recht wird eher von Innen heraus bedroht“, so lautet eine weitere Aussage im Bericht aus dem Jahr 2002, die trotz mässiger Bildqualität sehenswert ist.
Es geht um massive Beeinflussung der Staatsanwaltschaften durch die Politik, und auch Volker Bouffier ist da bereits dabei. „Staatsanwälte reagieren auf Befehl und Gehorsam“, meint ein Strafrechts- Professor aus Frankfurt. Er bringt -lächelnd- auch den spöttischen Spruch von der Staatsanwaltschaft als Kavallerie der Justiz. Siehe Titel.
Es geht um die Beeinflussung der Politik, und es geht um einen Webfehler in der Verfassung: in Deutschland, in Österreich und in Luxemburg sind Staatsanwälte weisungsgebunden, also das Gegenteil von unabhängig. Ein Unding, aber ein Fehler der viel erklärt: Statt „unabhängiger Justiz“ gibt es einen Teil der Exekutive, der „den Hut auf hat“ in Ermittlungsverfahren, auch die polizeilichen Ermittlungen als Herr des Ermittlungsverfahrens befehligt. „Unabhängige Justiz“ fällt aus.
In 50 Jahren Diktatur „im Osten“ habe man gelernt, so der Wessi-Generalstaatsanwalt von Meck-Pomm (ein BAW-Gewächs), dass die Staatsanwaltschaft ein Werkzeug der Politik zu sein habe. Aussage in Teil 2:
MP Ringstorff zum Vorwurf, er habe seinen Gen-STA „wie einen Hund vom Hof geprügelt“… Helmut Kohl kommt auch vor… Untergebene hätten den BK Kohl mit Falschaussagen gerettet, so die Aussage im Film.
Es sind 5 Teile, sehr interessante Reportage. Wie immer geht es um Analogien, und um die Erkenntnis, dass „das alles nicht neu ist, was man zur Zeit erlebt“…
Das grundsätzliche Problem ist der Staatsschutz, in US-Serien ist es „die nationale Sicherheit“:
Warum sind italienische Staatsanwaltschaften unabhängiger als deutsche?
Regine Igel: Sie sind nicht weisungsgebunden. In Deutschland ist die Staatsanwaltschaft dem Vorgesetzten untergeordnet – und das ist der jeweils regionale Justizminister. Das ist in der Verfassung so festgehalten. Insofern kann die Politik sagen, dass zu diesem oder jenem Punkt nicht ermittelt wird. Das wird sie natürlich nicht so offen tun: Es gab da vor einigen Jahren einen schönen aufklärerischen Dokumentarfilm, Maulkorb für den Staatsanwalt, der zeigt, mit welchen feinen Methoden der Staat und seine jeweiligen Vertreter vorgeht. Dazu gehört auch der vorauseilende Gehorsam – dass man weiß, wenn man zu verstehen bekommen hat, dass Ermittlungen zu einem bestimmten Punkt nicht erwünscht sind. Und dass Maßnahmen folgen, wenn man dann trotzdem weitergeht.
Gibt es im italienischen Strafrecht ein Äquivalent zum § 96 der Strafprozessordnung, der es dem Bundesinnenminister als oberstem Dienstherrn von Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz erlaubt, Akten in Strafverfahren einfach deshalb sperren zu lassen, weil das „Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten und Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde“?
Regine Igel: Ja, das gibt es dort auch. Ich denke, das hat jeder Staat. Damit schützt er sich, wenn er meint, selbst die Gesetze brechen zu müssen. In Italien war das Zauberwort immer die Staatsräson. Das heißt, dass zum Schutz des Staates und bestimmter Personen, die im Auftrage des Staates die Gesetze brechend tätig waren, bestimmte Sachen nicht aufgedeckt werden. Insofern gibt es natürlich immer noch Geheimnisse. Es ist ja nicht so, dass in Italien alles komplett aufgedeckt worden ist. Aber es ist immerhin so viel aufgedeckt worden, dass man einiges daraus schließen kann und dass hohe Geheimdienstfunktionäre für ihre kriminelle Tätigkeit verurteilt werden konnten.
„Leider ist die Unabhängigkeit der Richter in unserem Staatsalltag mehr als beschädigt“, auch ein schöner Satz in der Doku, Teil 3.
Wer jetzt an Staatsschutzsenate denkt, an das OLG München, an „Sonderjustiz“, der liegt sicher nicht ganz falsch. Götzl ist eben gerade nicht die Ausnahme, sondern ein typischer Vertreter seiner Zunft, die es nicht nur in Bayern gibt. Aber dort scheinen „die Grenzen des Rechtsstaates“ ganz eigene zu sein, wie in Teil 4 ausgeführt wird: Manche Tiere sind gleicher… und „der vorauseilende Gehorsam [der Staatsanwälte] ist systemimmanent“.
Richtig schlimm wird die Beeinflussung durch die Politik, je direkter und je weiter „oben“ die Politik selbst betroffen ist. Ein wunderbarer Satz von Anmerkung dazu:
Im aktuellen Spiegel gibt es dazu ein Interview mit GBA Harald Range (FDP).
Es endet wie folgt:
SPIEGEL: Macht es eigentlich einen Unterschied, ob mutmaßliche Spione, gegen die Sie ermitteln sollen, aus Russland stammen oder aus den Vereinigten Staaten? Wird da mit zweierlei Maß gemessen?
Range: Nein. Wir haben alle im Blick. Wir ermitteln ohne Ansehen der Person, so habe ich auch meinen Eid als Staatsanwalt geleistet. Wobei es sich natürlich beim Staatsschutz um ein politisches Strafrecht handelt mit entsprechenden Möglichkeiten der Politik, Weisungen zu erteilen – aber solche habe ich bislang nicht bekommen.
SPIEGEL: So ganz im luftleeren Raum agieren Sie allerdings nicht. Sie stehen unter der Dienstaufsicht des Bundesjustizministeriums. Vielleicht hat die Regierung ein Interesse, Ermittlungen gegen den wichtigsten Bündnispartner zu verhindern?
Range: Ich bin frei in meiner Entscheidung. Das mögen Sie vielleicht nicht glauben, aber es ist so.
SPIEGEL: Herr Generalbundesanwalt, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Wenn Sie als Leser jetzt lachen, oder auch nur grinsen müssen, dann Willkommen im Club! Und nein, Range scherzt nicht, der meint das ernst. So unabhängig wie er gegen die NSA nicht ermittelt, so unabhängig ermittelt er auch bei Terrorismus in der BRD nicht. Beim NSU zum Beispiel nicht, oder beim Oktoberfest-Attentat. Seien Sie versichert, da brennt garantiert nichts an.
Spiegelleser wissen mehr… 😉
Sehr oft liest man bei Journalisten zum Thema „NSU-Aufklärung“, die Bundeskanzlerin habe doch rückhaltlose Aufklärung versprochen, es folgen dann meist moralingesäuerte Passagen, und jedes Mal, wenn das geschrieben wird, dann werden die Leser verarscht. Es wird keine Aufklärung geben, weil diese Aufklärung den Staat selber in eine tiefe Krise stürzen würde. Aufklärung der 10 Morde wäre der worst case für die BRD als Ganzes.
Und man sollte erkennen, dass „rückhaltlose Aufklärung“ immer versprochen wird, auch 30 Jahre nach den Morden jedoch die Akten gesperrt bleiben. Die augenöffnende Analogie ist der Fall Buback.
http://www.welt.de/politik/deutschland/article828780/Merkel-verlangt-Aufklaerung-im-Fall-Buback.html
Das Muster erkannt?
Heisse Luft. Es war immer nur Gedöns. Und Volksverdummung. Aufklärung von Terrorismus kann sich das System gar nicht leisten. Es würde daran zerbrechen.
Erkennen Sie die Kontinuität seit 50 Jahren:
„Der Feind sitzt Innen, heute mehr denn je, und nicht mehr Aussen“.
Wer wollte dem widersprechen?
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Sonntäglicher Lesetipp:
Sebnitz reloaded? Funke und Florian Heilig…
Mit dem Autoschlüssel exakt Dasselbe… wir haben das Compact-Interview mit den Eltern von Florian Heilig von Ende 2013 als Anhang dabei. Sorry Compact, aber muss sein. Die gesamte Story vom Zauberauto stimmt nicht. Aber warum machen auch die Angehörigen beim Bescheissen mit? Oder ist das Dummheit? Was ist nun mit den verschwundenen Geräten vom Florian, und warum sind die auch fast 2 Jahre danach nicht ausgelesen?
Wer wird da geschützt? Zufall ist das keinesfalls. Danke, aber verarschen können wir uns alleine, dazu brauchen wir keine Eltern, und keinen Hajo Funke.
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