Oder: Wie zünde ich die Nazirakete 2.0 ?
ein Gastbeitrag von Balthasar Prommegger
Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich im Jahr 1999 und arbeiten als Kriminalhauptkommissar des Staatsschutzes der BRD. Irgendwann im August erhalten Sie die Weisung, mit der Bahn und in Zivil nach Wien zu fahren, weil man sie dort als Entwicklungshelfer braucht. Der dortige Minister traut seinen eigenen Leuten nicht mehr so recht; schließlich sind vom Sicherheitsapparat des Ministers staatsterroristische Aktionen und pfiffige Bekennerschreiben zu tödlichen Bombenanschlägen ausgegangen, ohne dass die Täter bestraft wurden.
Wie bitte? Werden Sie sich fragen. Wie bitte?!
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Weißweinschorle. Quelle: Eigene Aufnahme
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In der Donaustadt angekommen, werden Sie „konspirativ“ empfangen und zu einem Heurigenlokal geleitet, wo es erst einmal um die Rettung des angebrochenen Nachmittags geht. Kräftig betrunken nimmt Sie die Rotte der Wiener Einsatzkommando-Kieberer (österr. Beamte des polizeilichen Staatsschutzes) mit zum zufällig bereitstehenden Observationsfahrzeug. Man fährt los und entschließt sich kurzfristig, beim „Gottfried“ in seinem Bioladen vorbeizuschauen und sich ein Brötchen mit Winzerwurst herrichten zu lassen.
Wie meinen? Gottfried Küssel?!
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Der österreichische Neonazi Gottfried Küssel. Quelle: Kurier
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Ja, er ist eben aus der langjährigen Haft entlassen worden, der alte Ewig Gestrige und steht hinter dem Tresen seines Nationalen Bioladens. Als führender Neonazi ist er den besoffenen Observanten gut bekannt. Die Österreicher entschließen sich, den deutschen Gast, also Sie, dessen Gesicht dem Fascho-Mann ja nicht bekannt sein sollte, aus dem Observationsfahrzeug aussteigen und den Imbiss „verdeckt“ abzuholen zu lassen. Auch ein Pornoheft mit einem aufgemalten Hakenkreuz sollen Sie unauffällig im Laden deponieren, um „den Gottfried zu verarschen“. Sie stehen im Laden, sind aufgeregt; da kommt Küssel auf Sie zu, fixiert Sie und sagt: „Richten’S Ihre schwulen Freind da draußen aus, dass leider seit 14 Sekunden geschlossen ist.“
Filmriss. Am nächsten Tag wachen Sie in einem schönen Hotel auf und eilen verkatert ins Innenministerium zur „Einsatzbesprechung“.
Bei der Besprechung, an der der Minister und sein Sicherheitschef teilnehmen, sind drei junge Polizisten zugegen, allerdings nicht jene, die Sie gestern abgeholt haben. Die jungen Polizisten blicken Ihnen vertraut in die Augen und erklären dem Minister ungerührt, Sie gestern vom Bahnhof abgeholt zu haben. Der Minister lässt sich einen warmen Strudel kommen und regt sich über den „billigen“ Kaffee auf.
Sie wollen über die Sicherheitslage sprechen und den Auftrag klären. Da schüttelt der Minister die Hand und beginnt im Plauderton zu erzählen:
„Wissen’S, Herr Kriminalhauptkommissar aus Deutschland, bei uns ist die Lage derzeit unerfreulich. Man hat Ihnen sicher mitgeteilt, dass die Briefbombenserie seit 1993 von einem Täter aus dem Innenministerium ausgegangen ist. Zumindest hat er daran mitgewirkt. Den Dodel (österr. Idiot) mit Namen Franz Fuchs, den späteren Einzeltäter, hat er sich als Erfüllungsgehilfen ausgesucht. Wir wissen das, weil unser Professor Dopsch, ein guter Mann, herausgefunden hat, dass die Täter in ihren Bekennerschreiben jedes Mal auf seine geheimen Gutachten angespielt und ihn damit geärgert haben. Sogar das Honorar hat der Täter gewusst. Sie können sich ja gar nicht vorstellen, wie ich aufgepasst hab! Wie im Agentenfilm! Die Gutachten des Professors kannte nur ich, der Chef vom Sicherheitsbüro und der Professor selber. Sie wurden in diesem Raum hier verfasst, nicht vervielfältigt und dann sofort in meinen Panzerschrank hinübergetragen. Und trotzdem hat sie der Täter am nächsten Tag in seinem Schreiben berücksichtigt.
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Der Historiker Heinz Dopsch. Quelle: OÖ Nachrichten
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Der Professor ist noch heute der öffentlichen Ansicht, dass die Briefbomben bei uns vom Staat verschickt worden sind. Wie mussten ihn daher als ein bißl geisteskrank darstellen, den armen Mann.
Leider war der Leiter der Staatspolizei, den wir 1991 entlassen mussten, über 30 Jahre Agent der Securitate. Wir gehen davon aus, dass er sich rächen wollte und die Serie zusammen mit dem Carlos angestoßen hat. Das wissen wir von unseren russischen Freunden. Das steht dann im Zusammenhang einer größeren amerikanischen Operation, weil die Bomben gezielt Neonazis in Rumänien, Österreich und Deutschland untergejubelt worden sind. Zielsetzung der amerikanischen Freunde war wahrscheinlich, den Nationalismus zu übersteuern. Unappetitlich, sage ich Ihnen.“
Wie bitte? Wie meinen?!
Als V-Mann-Führer eines großen bundesdeutschen LKA wissen Sie, dass tatsächlich Briefbomben-Attrappen bei dem so genannten Jenaer Trio gefunden worden sind. Angeblich stammen sie aus der Wohnung von einem der drei, steht jedenfalls in der Anklageschrift. Und, ja, es war eigenartig, weil die gerichtsfeste Zuordnung dann trotzdem nicht gelungen ist. Eigentlich komisch, wo das Zeug doch angeblich bei den schlimmen Fingern selbst aufgefunden worden ist.
Und, ja, es war eigenartig, dass die Briefbomben-Attrappen als Absender die Decknamen Ihrer eigenen V-Männer getragen hatten.
Da fährt der Minister fort:
„Ihre komische Aushorchzelle aus Jena, die Burschen und das rumänische Mädel (d.i Beate Zschäpe), die ist ja auch bei uns bekannt. Leider mussten wir feststellen, dass Ihre DNA-Daten zu den dortigen Attrappen mit den unsrigen weitgehend übereinstimmen. Das ganze Zeug ist auch baugleich mit rumänischen Briefbomben, die zur gleichen Zeit verschickt worden sind. Für alle diese Höllenmaschinen sind rumänische Trinkhalme aus den 80er- Jahren als Sprengstoffbehälter verwendet worden.
Wir wollten Sie jetzt fragen: Wer – um alles in der Welt und beim Herrgott – von euch jubelt das Zeug diesen Nazis unter? Und wie kommt der an das Material von Carlos und Fuchs, das bedrückt uns. Sagen Sie uns das. Die Attrappen sind noch dazu teilweise baugleich mit den scharfen Bomben aus Österreich, nur ohne das Silberfulminat. Jetzt kommen’S, sagen Sie es uns.“
Sie schweigen und stottern. Wie meinen.
„Gut, probieren wir es anders. Uns ist der politische Druck damals zu groß geworden mit dem Bombenterror, und wir haben genauso wie ihr irgendwelchen Nazis Sprengstoff ins Auto und in die Garage gepflanzt, damit es einen sinnvollen Prozess geben kann, in dem die Nationalsozialisten verurteilt werden können. Nur leider hat das 1995 nicht geklappt, weil der echte Täter kurz vor der Verurteilung wieder Bekennerschreiben verfasst hat, mit Entlastungsbeweisen. Wir mussten diese Rechtsradikalen freilassen, das war schade.
Aber das kann Ihnen genauso passieren!“
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Jenes Bekennerschreiben der Briefbomber, mit dem sie die Angeklagten „heraushauen“. Quelle: herakleskonzept.de
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Sie können dem Mann nicht sinnvoll antworten und schweigen schließlich.
Der Minister schimpft ein wenig und wirft Sie aus dem Raum. Sie fahren mit der nächsten Bahn zurück in die BRD.
In der Bahn rekapitulieren Sie: Mitte der 90er- Jahre Briefbombenserie in Österreich, der BRD und Rumänien. Das Zeug stammt weitgehend aus einer Hand. Man will von atlantischer Seite die Großdeutschen und die Nazis übersteuern und füttert die Szene mit Briefbomben, die von Berufsterroristen und Hilfskräften aus unterschiedlichen politischen Lagern hergestellt werden. Bei den Leuten, die den Nazis in unserem Namen Sprengstoff unterjubeln, damit wir sie untertauchen lassen oder der verurteilen lassen können, weil sie uns zu gefährlich geworden sind, gibt es atlantische Agenten, die gleich noch Briefbomben draufsetzen.
Man hat also unsere geheimsten Strukturen unterwandert. Die Arroganz der unterwandernden Kräfte kennt keine Grenzen; sie klauen Ministern Unterlagen aus dem Panzerschrank, schreiben die Decknamen meiner V-Leute auf ihre staatsterroristischen Fabrikate. Sie zünden die Nazirakete, wie es ihnen passt und setzen sich auf unsere Aktionen drauf. Die Naziszene ist nur noch eine Kinoleinwand. Das kann nicht gut gehen; in ein paar Jahren holt uns das alles ein.
(Nach einer wahren Begebenheit, von Balthasar Prommegger)