Die Anmerkung im Gespräch mit Dr. Börnecke
„Zum Todeszeitpunkt finden wir also gar keine Aussagen und zur Todesart nur jene, die sich auf den Krönleinschuß beziehen. Dr. Heiderstädt sagte nur das Notwendige, kein einziges Wort darüber hinaus.
“Wir haben so eine Art hydrodynamische Explosion.” In der Literatur werde das “Krönleinschuss” genannt. Das erkläre auch, warum lediglich noch 100 [phon.] Gramm Gehirn vorhanden gewesen sei. Das sei herausgeschleudert worden, auf der Kleidung seien herausgesprengte Hirnanteile gefunden worden. Dies erkläre eine sofortige Handlungsunfähigkeit. Damit seien Ein- und Ausschuss geklärt.
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Was er nicht gesagt hat, weil danach wurde nicht gefragt. Ein Krönleinschuß ist eine ziemliche Sauerei, denn diese hydrodynamische Explosion verteilt Blut, Hirnmasse und alles, was im Weg ist, im Umfeld der getöteten Person, in unserem Falle also beider Personen.
Eine Person sitzt fast wie friedlich eingeschlafen mit zerfetztem Schädel vor dem Bett. Die Spuren der Explosion fehlen allerdings. Hier hätte definitiv eine Expertise aller Schußmöglichkeiten stattfinden müssen, unter Einbeziehung der allerersten Bilder der Auffindesituation.
Die entscheidende Frage, die nicht gestellt wurde, obwohl der Kollege Heiderstädt die große Sauerei, die ein Krönleinschuß anrichtet, explizit benannte.
Wieso stellt niemand die zwingend resultierende Frage, wo dann die großflächige Kontamierung mit Hirnmasse und Blut zu finden ist, die bei der Schußverletzung entstanden sein muß?
In dem Wohnmobil, bei den kolportierten Fotos, geht das nicht. Möglicherweise wurden ja die Bilder der Feuerwehrleute genau aus diesem Grund beschlagnahmt. Sie zeigen eine andere Auffindesituation, die von den Staatsanwälten so nicht erwünscht war. So, wie es jedenfalls in der Öffentlichkeit dargestellt wird, kann es nicht gewesen sein. Entweder Krönleinschuß mit Sauerei im Umfeld oder keine Sauerei. Dann allerdings erfolgte der Tod an andere Stelle. Möglicherweise außerhalb des Wohnmobils.
Krönleinschuß als Todesursache kann auch grober Unfug sein, wenn beide mit kleinem Kaliber und Kopfschuß getötet wurde und eine Flinte mit größerem Kaliber genutzt wurde, diese Kopfschüsse zu verschleiern.
Wenn man schon Metallteile im Schädel der anderen Leiche findet, dann untersucht man die auch. Man bestimmt deren Herkunft. Das Spekulieren über Handlungsabläufe kann man dann ja der Staatsanwaltschaft überlassen.
Symbolfoto eines Hautdefektes (Schußverletzung) im Bereich rechtes Schulterblatt. Dem Foto nach zu urteilen ein relativer Nahschuß.
Hier, lesen sie nochmal nach. Ob es stimmt, steht in den Sternen.
Als die Retter der Berufsfeuerwehr die unverschlossene Tür öffnen, bietet sich ihnen ein grausiger Anblick. Ein Täter habe am Tisch gesessen, „mit einem großen Loch in der Stirn“, beschreibt ein Zeuge die Szene. Eine zweite Leiche liegt im Gang des Wohnmobils, ebenfalls mit Schussverletzung, wahrscheinlich im Oberkörper.
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Alles in allem. Es führt kein Weg daran vorbei, die Feuerwehrleute, die als erste am Fundort der Leichen waren, als Zeugen zu laden und die von ihnen angefertigten Fotos zu begutachten. Diese Unterlassung ist unverzeihlich.
Nächstes Beispiel. Die eine Person, so legen es die Fotos nahe, hatte eine weitere Schußverletzung im Bereich des rechten Schulterblattes, die vor Gericht keine Rolle spielte. Anhand des Fotos läßt sich nicht sagen, um was genau es sich da handelt. Auch hier wird ein Obduzent sehr sachlich untersuchen und notieren, was das für eine Verletzung war. Ob tödlich oder nicht, läßt sich von hier aus nicht urteilen. Für ihre dokumentarische Fiktion empfehle ich anhand des Fotos einen Schuß in den Rücken, auf der Flucht erschossen. Das korrespondiert nämlich ganz gut mit anderen Verletzungen.
Wie sie auf dem Foto auch schön erkennen können, haben die vielfachen Umlagerungen der Leiche dazu geführt, daß sich das Schulterblatt wie eine Blende beim Fotoapparat in den Schußkanal geschoben hat. Ob es so war, steht im Bericht der Obduzenten.
Das alles fügt sich allerdings zu einem harmonischen Bild, wenn man andere Umstände berücksichtigt, die ihren Papieren zu entnehmen waren. Die haben zuerst ein CT angefertigt. Sehr gut, denn anhand der Daten läßt sich der Zustand der Leiche immer wieder abrufen und begutachten. Das CT hat einen großen Nachteil. Haben sie zum Beispiel Metallsplitter im Schädel, so sind die nicht zu übersehen. Die versauen ihnen die schöne Aufnahme. Haben sie ja auch gefunden. Was macht man als nächstes? Man schickt die ins Labor, um deren Struktur und Herkunft zu ermitteln. Irgendwann kommt das Ergebnis und der Staatsanwalt rutscht vor Schreck unter seinen Schreibtisch.
In der Zeitung schreiben sie dann, sie haben die Leichen kurz vor der Einäscherung noch einmal beschlagnahmt und eine Nachschau veranlaßt. Das ist schon mal ein sehr gutes Zeichen für eine schlampig durchgeführte Obduktion, denn bei solchen Wunden ist eine Nachschau gar nicht nötig, da die theoretisch bereits im ersten Anlauf penibel genau untersucht und beschrieben wurden.
Doch die Obduktion … gestaltete sich nach FOCUS-Recherchen schwieriger als bisher bekannt: Bei der Leichenöffnung am 5. November waren nicht alle Körperpartien untersucht worden. Um die Todesumstände vollständig aufzuklären, mussten die Terroristen drei Wochen später erneut obduziert werden.
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Wie begründet man diese Nachschau vor der Öffentlichkeit? Man wolle noch einmal nach Spuren von Tätowierungen suchen. In Wirklichkeit ist aber der Rücken noch einmal dran, die Wunde wird nun doch noch einmal sehr genau nach Spuren untersucht.
Irgendwann im Nachhinein habe es Anfragen über Tätowierungen gegeben, ob da nicht doch einen Tätowierung sei. Deswegen hätten sie sich entschlossen, einige Wochen später beide Leichen nochmal anzuschauen. Sie hätten keine weiteren Tätowierungen gefunden und keine weiteren Verletzungen.
Wie ganz am Anfang erwähnt, wurden Frau Professor und HiWi zur Vergatterung an den Fundort geordert. Wie so oft, läßt sich ein Pathologe so gerne auch nicht vergattern. Schon gar nicht schreibt er Gutachten nach Wunsch, manchmal schon, meistens nie.
Was tun, wenn klar war, um was für Munition es sich im Schädel handeln könnte, wenn nun die Order ereilt wurde, die Spuren selbiger auch im Rücken zu suchen? Man macht eine Nachschau, bessert die bisherige Arbeit nach und hält seinen Schnabel. Denn nun weiß man sehr genau, was passiert ist.
Kommen wir zu einem nächsten Problem
Symbolfoto einer Leiche: Die deutlich ausgeprägten Striemen und Kratzer im rechten Schulterbereich deuten darauf hin, daß die gerade noch lebende oder bereits tote Person mit Hebelgriff im linken Schulterbereich über eine gewisse Strecke geschleift wurde, also zum Beispiel in eine Wohnmobil hinein oder dortselbst ein paar Mal bewegt. Die linke Schulterseite hatte keinen Kontakt zu einer Kratzwunden verursachenden Oberfläche.
Schauen sie, solche niedlichen Kratzer können durchaus mal entstehen, wenn ihr Weib zu heftig auf ihre Leibesübungen reagiert und den Zustand der Ekstase durch endlosen Klammergriff ausdehnen will, mangels Kraft jedoch mit ihren messerscharfen Fingernägeln abrutscht. Oder aber jemand zerrt die Leiche auf die Schnelle ins Wohnmobil rein. Die ist ja tot, die Leiche, töter geht es nicht. Da ist jede Rücksicht fehl am Platz. Sollte die Person noch gelebt haben, als es passierte, kann man jede Rücksicht sausen lassen, denn sie wird alsbald tot sein.
Sie schauen so ungläubig drein? Vergessen sie den Gedanken, den sie soeben hatten. Solche Kratzer entstehen nicht, weil man sich mit einer Flinte in den Rachen schoß und langsam mit dem Rücken an der Innenverkleidung des Wohnmobils zu Boden sackte.
Alles in allem, die Obduzenten haben alles richtig gemacht. Nur das gesagt, was abgefragt wurde, den Rest gar nicht erst erzählt.
Selbstmord ist so gut wie ausgeschlossen, denn dann hätten sich Minimalspuren von Kohlenmonoxid im Blut nachweisen lassen müssen.
Auch wenn es einem Obduzenten nicht zusteht, da dies regelmäßig der Phantasie von Staatsanwälten entspringt, will ich ihnen anhand der Fotos einen Vorschlag für eine andere Version unterbreiten.
Was auch immer passiert ist. Der eine wurde von hinten er- oder angeschossen. Mit kleinerem Kaliber. Die Entfernung kann man einem qualifizierten Protokoll entnehmen.
Die zweite Person stand staunenden Blickes dabei und wußte nicht, wie ihr geschah. Man nutzte die Gunst der Stunde und wuchtete ihr die Flinte in den Rachen. Den Rest wollen sie jetzt so genau auch nicht wissen.
Noch viel wahrscheinlicher aber ist, daß beide mit kleinem Kaliber ermordet wurden. Die Leichen wurden ins Wohnmobil verbracht und der initiale Mord mit den Flintenschüssen vertuscht.
DNA haben sie gefunden, steht hier. Nun ja, bei der Blutmenge, die dort verteilt wurde keine Wunder. Doch was besagt das? Nichts, denn DNA hat keine Visitenkarte. Ich rate ja meinen Studenten immer, sie mögen an den Haltestellen auf dem Weg zu ihrem Verbrechen Kippen, Bierflaschen und Verpackung der Schokoriegel einsammeln und großzügig im Umfeld ihres Tatortes verteilen. Dann hat die Forensik ordentlich zu tun und die Polizei ein Rätsel nach dem anderen zu lösen. Das ist das Problem der DNA. Was für ein Sample haben sie überhaupt genommen? Hat es die ausreichende Qualität zur DNA-Bestimmung gehabt? Wie ordnet sich die Probe in das gesamte Spurenbild ein?
Bei Fingerabdrücken auf einer noch rauchenden Waffe ist das klar. Sich ohne Fingerabdrücken auf einer Waffe zu erschießen, vorher noch seinen Kumpel, mit dem man seit über zwei Jahrzehnten abgehangen hat, wissen Sie, da wird es dann schon schwierig. Keine Fingerabdrücken auf den Waffen. Es sei denn, der Obduzent vergaß im Protokoll zu erwähnen, daß er es war, der die Gummihandschuhe von den Händen der Leichen abgestriffen hat.
Noch problematischer wird es, wenn man der Frage nachgeht, wer die Flinte geladen hat? Da fand sich gar nichts an Humanspuren, jedenfalls nichts, daß nach verwertbarer Spur aussah.
Vergessen sie den Selbstmord ganz schnell. Wissen, sie, wenn sie Jahrzehnte im Geschäft sind, dann haben sie einen Riecher dafür, wann ein Mord vertuscht werden soll. Hier ist das so. Kein Bestimmung des Todeszeitpunktes. Keine Differenzierung, ob der Auffindeort auch der Tatort ist. Keine Diskussion anderer tödlicher Verletzungen. Keine Fotos der Auffindung, stattdessen deren Verheimlichung, kein Obduktionsprotokoll in den Akten, so daß es fachlich nicht gegen geprüft werden kann. Keine Erstzeugen, sondern ausschließlich die aus der zweiten und dritten Reihe, die das erzählen, was die Staatsanwaltschaft hören will. Genau das ist immer dann der Fall, wenn der Staatsanwalt beauftragt wurde, einen Mord zu vertuschen. Kennen wir Pathologen nicht anders.
Das Problem der Staatsanwälte besteht darin, daß sie Pathologen nicht austricksen können, weil sie, wie ich schon sagte, keine Ahnung von der Materie haben. Sie reden sich um Kopf und Kragen. Wie bei ihrem Filmprojekt geschehen. Und damit es keiner merkt, verbünden sie sich mit jenen, die noch dümmer als sie selber sind, den Journalisten.
Sie kriegen das nur gelöst, wenn das Obduktionsprotokoll von anderer Seite einer fachlichen Revision unterzogen wird. Dann wird man sehen. Solange es geheim ist, gehen sie ruhigen Gewissens von Mord aus. Alles andere wäre ein rechtsmedizinisches Wunder.“