Mutti und die Ceska: Denkt, was ihr selber wollt!
ein Gastbeitrag
Der österreichische Dichter Robert Musil ist nicht müde geworden, neben dem so genannten Realitätssinn auch noch eine andere Facette der menschlichen Intelligenz zu betonen, nämlich den Möglichkeitssinn. Dieser Möglichkeitssinn, so Musil, ist für das Denken genauso wichtig wie der Realitätssinn.
Was ist der Möglichkeitssinn? Es ist die Fähigkeit, das, was uns als Realität verkauft wird, zwar als solches zu verstehen und nachzuvollziehen, aber auch andere Ausprägungen der Welt als möglich anzusehen und rational zu durchdenken.
Bringen wir ein paar alberne Beispiele: Ein leicht versoffener Bundesanwalt, der in freundlichem Ton zu den wahrheitsliebenden Journalisten spricht, könnte genauso ein hellwacher Betrüger und fieser Krimineller sein. Oder: Die so genannte Tatwaffe eines Verbrechens könnte auch irgend ein Ding sein, das man im Rahmen einer kriminellen Beweismittelfälschung zurechtgemacht hat.
Vom Fehlen eines solchen Möglichkeitssinns profitieren die, die uns die Realität verkaufen. Und die Erfahrung lehrt, dass diese Leute es nicht immer gut mit den Menschen meinen, um es freundlich auszudrücken.
Selbstverständlich haben die Herrschaften, die uns regieren, ein Interesse daran, uns den Möglichkeitssinn zu vernebeln oder ganz abzunehmen. Der, der die Möglichkeiten denkt, die es nicht geben soll, ist ein Spinner und Verschwörungstheoretiker. Ganz egal, welche Wahrscheinlichkeiten er seinen Szenarien zuordnet. Sogar die Denkübung als solche ist schädlich und wird schlecht gemacht.
Man sollte daher zusehen, sich den Möglichkeitssinn nicht ganz nehmen zu lassen. Die Herrschaften haben es dann schwerer, uns den Müll zu verkaufen, den sie als Realität bezeichnen und uns damit an der Nase herumzuführen oder in Kriege zu hetzen.
Oben sehen Sie einen Mann, der nur mit beschränkter Kompetenz ausgestattet ist, zu lügen. Die Lüge ist ein Handwerk wie jedes andere auch; unzählige Menschen leben davon und haben ein rein sachliches Verhältnis zu ihr. Auch der Schreiber dieser Zeilen war früher so jemand, er hat es selber gemacht: Man denkt sich drei, vier Phrasen aus für den Chef und der plappert das dann so ruhig wie möglich allen Leuten und Kameras entgegen, die ihm unterkommen.
Das nennt sich dann Realität.
Der Mann oben im Bild ist kein Fachmann für Lügen, sondern einer für Kriminaltechnik. Es ist der Widerspruch zwischen den lebendigen Augen und dem starren Kopf, der den Laienschauspieler charakterisiert. Der Laie erstarrt beim Schauspielern im Genick, weil er sich so auf seine „Rolle“ konzentriert. So etwas durchbricht man auf der Schauspielschule durch ausgiebige „Improvisation“ von frei erfundenen Szenen; irgendwann geht dann der Kopf lebendig mit, und der Darsteller sieht aus wie ein Profi. Der Herr Deetz war dazu nicht ausersehen. Es ist ein wenig zum Lachen (Dez ist übrigens das schwäbische Wort für „Kopf“).
Man musste ihn vorschicken, weil man nur einem „Experten“ den Schmu abgenommen hätte, den er von sich geben sollte. Die Anweisung war, den Leuten ein kriminaltechnisches Spurenbild zu verkaufen, das es gar nicht gab.
Wie das, werden Sie fragen? Benutzen wir den Möglichkeitssinn.
Zwischen 2006 und 2008, als man die Dönermorde weitgehend ausermittelt hatte und es sich klar abzeichnete, dass man die Täter würde nicht verfolgen dürfen, kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den beteiligten Behörden. Was tun? fragten zum Beispiel die Bayern. Und die Antwort aus Berlin ließ nicht lange auf sich warten.
Um aus dieser Sache wieder rauszukommen, die Türken wurden schon richtig sauer (diese so genannten Morde waren grobe Schlachtungen; wer die Bilder gesehen hat, kann eine Woche kaum schlafen), musste man eine falsche Spur legen und an das Ende dieser Spur einen passenden Täter. Die „Schweizer Spur“ der Luxik-Waffen war eine solche Spur. Bis zu dem Zeitpunkt allerdings, als man den passenden Täter an das Ende dieser Spur legte, war die Spur tot. Da ging natürlich nichts, wie denn auch, es war ja noch kein Täterdarsteller dort.
2010 kommt es zu ernsthaften Auseinandersetzungen zwischen denjenigen, die die „Schweizer Spur“ als Ausweg legen wollten und den Bayern. Sogar Ministerpräsident Beckstein wurde zu Hilfe gerufen, weil man nicht hinnehmen wollte, einen so billigen Ausweg vorgesetzt zu bekommen.
Beckstein hatte seinen Mann fürs Grobe an die Spitze der BAO Bosporus gesetzt, einen gewissen Herrn Wolfgang Geier. Der hatte schon ganz andere Sachen zurechtgebogen und im Fall Peggy einen Behinderten anstatt des Täters einbuchten lassen.
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Ulvi K. 2014 freigesprochen |
Ulvi konnte sich genauso wenig wehren wie ein toter Nazi. Im Spiegel wurde ihm von einer ältlichen Dame nachgesagt, dass er von der Unterbringung in der Psychiatrie sogar profitiert hätte.
Vom Herrn Geier war also kein dauerhafter Widerstand zu erwarten, obwohl er doch zuvor darauf hingewiesen hatte, dass die Tatwaffe nicht aus der Schweiz sondern aus Stasi-Beständen stammen dürfte.
Warum konnten also die Ermittler der EG Ceska keinen Täter ausfindig machen, obwohl es ja angeblich nur acht Waffen waren, die als Tatwaffen in Frage kamen? Die Antwort ist einfach: Weil es da nichts zu finden gab.
Wieder trainieren wir unseren Möglichkeitssinn: Ist es denkbar, dass die Weltspitze der Zielfahndung, führende kriminaltechnische Ingenieure und instinktsichere Bluthunde des BKA, einen so eng eingegrenzten Täter nicht finden? Kriminalpolizisten aus Deutschland, dem Land, in dem die meisten Menschen ihrer Mentalität nach selber Polizisten sind?
Schwer vorstellbar! Eine richtige Muskelübung in Möglichkeitssinn.
Zurück zur gelegten Spur: Die wurde 2010 mit „Auftritten“ im Fernsehen, unter anderem in der Unterhaltungssendung Aktenzeichen XY, als gegeben zementiert. Der Schweizer-Waffenkram wurde zusätzlich durch Halbwahrheiten und schlaue Desinfo gegenüber den Medien ausgebaut. Es wurde eine Fixierung auf diese Spur herbeigeführt, obwohl es keine objektiven kriminaltechnischen Beweise dafür gab.
2010 war auch das Jahr einer potenziellen politischen Wende in Deutschland. Die SPD war bei der vorangegangenen Wahl abgestürzt, die so genannten bürgerlichen Parteien standen so gut da wie noch selten. Und: In der so genannten Mitte der Gesellschaft, bei den frustrierten Kleinbürgern und vor allem in der so genannten Bildungsschicht, machte sich ein gewaltiger Unmut gegen die Einwanderungspolitik der Eliten breit.
Hinter den Kulissen wurden schon Gespräche über die Gründung einer Partei rechts von der CDU geführt, und zwar mit klugen Rechtsintellektuellen. Sarrazin veröffentlichte sein Buch, und der so genannte Euro-Rettungskurs nahm seinen Lauf. Das Bürgertum und die traditionellen Bildungsschichten drohten sich selbständig zu machen und der BRD zu entgleiten.
Was macht Mutti in einer solchen Situation? In welche Richtung geht ihr Vernichtungswille? Will sie die SPD, ihren zukünftigen Partner, weiter schrumpfen lassen? Will sie sich mit intelligenter Kritik von Rechts auseinandersetzen und eine Partei rechts von der CDU akzeptieren?
Nein, das will sie nicht!
Und jetzt kommt der heikle Punkt, der Punkt, an dem wir unseren Möglichkeitssinn am dringendsten brauchen.
Hat etwa Mutti befohlen, die Täter-Darsteller an das Ende der Ceska-Spur zu setzen und den finalen Showdown stattfinden zu lassen? Hat sie ihre Leute angewiesen, einen antifaschistischen Tsunami loszulassen, damit die Rechten endlich das Maul halten?
Nein, hat sie nicht. Sie hat kein Wort gesagt.
In der Politik läuft das anders, da schafft die Mutti nicht mit Worten an oder nur dort, wo es kein Risiko gibt. Die heiklen Sachen werden über unausgesprochene Erwartungen kommuniziert, ab und zu mal ein unzufriedener, böser Blick, eine kalte Schulter. So was macht Angst. Mutti ist ein Angst-Tier, sie herrscht mit dem Verbreiten von Angst, so bringt sie ihr Umfeld dazu, Dinge für sie zu tun, die sie selber niemals wissen darf.
Und dann geht es wieder. Ein freundlicher Blick, ab und zu nette Bemerkungen. Später eine Beförderung für den Herrn Untergebenen.
So hat Stalin regiert, und so regiert Mutti.
Und Mutti schweigt wie ein Grab. Das hat sie in den 50er- Jahren gelernt, als der Papa sich mit den Stalinisten eingelassen hat und in die DDR gegangen ist. Was wissen wir von den traurigen Abenden, als der Papa in Todesangst im Wohnzimmer auf und ab gegangen ist, den Schrecken in den Augen, dass sie ihn holen? Was hat er da zu der kleinen Angela gesagt, und wie hat sie das aufgenommen? Haben sie zusammen geweint vor Angst?
Was ist aus der kleinen Angela geworden?
Aber zurück zu unserem kleinen Routine-Vorfall 2011.
Ein gewisser Sicherheitspolitiker beschließt, Muttis Vorstellungen zu entsprechen und die Realität so einzurichten, wie sie das haben will und braucht. Er sucht nach einem kleinen Phantom, einem Gerücht, das vor einigen Jahren mal um eine kleine Aushorchzelle gebastelt worden ist mit Hilfe des BfV. Der alte Popanz vom NSU, auf den schon so mancher Nazi hereingefallen ist. Ein solches Phantom ist geeignet für die Position am Ende der Ceska-Spur. Schließlich haben auch NPD-Leute denen mal Waffen vorbeigebracht.
Alles andere ist Polizeikorruption. Die zwei Uwes kommen bei einer Meinungsverschiedenheit mit ihren kriminellen Freunden ums Leben. Die Beweise werden platziert, natürlich in unterschiedlicher Qualität, denn nicht an jeder Stelle sitzt ein Profi.
Die Walze der öffentlichen Meinung erledigt den Rest. Linke springen wie blöde auf den NSU-Dummy an, Aufklärung droht nicht.
Wer in einem demokratischen Land leben will, darf solche Manöver nicht zulassen. Er muss seinen Möglichkeitssinn trainieren und die Voraussetzungen dafür schaffen, das Zeitalter der neuen Massenmanipulation abzuwenden.