Author Archives: Die Anmerkung

NSU: Blutbilder aus dem Wohnmobil – Teil 3

Teil 1

Teil 2
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Ich war ja immer der letzte am Tatort. Alle anderen waren schneller. Wenn du das Zimmer betrittst, oder die Waldlichtung, oder das Lokal, dann passiert Folgendes:Du stehst da und saugst die Atmosphäre ein. Du machst dir ein Bild von der Situation, so wie sie ist. Das Bild kannst du später jederzeit wieder abrufen, wenn du die Tatortfotos herbeiziehst. Nichts geht verloren. Du stehst also auf der Türschwelle, da wieseln schon eifrig Spurensicherer und Kollegen rum, und das Zimmer schreit dir ins Gesicht: Das war Mord. Da gibt es nur selten Sinnestäuschungen.

So ein Foto habe ich in den Mappen nicht gefunden. Ei­nes hätte ja gereicht, aus der Fahrerkabine heraus. So müssen wir uns mit einem anderen begnügen und an­neh­men, daß wir soeben am Fundort der Leichen angekommen sind und uns ein Bild machen, um danach immer der Blutspur nachzugehen.


Symbolfoto einer Blutspur im Wohnmobil, Eigangstür und vordere Sitzbank fehlen, Zeitstempel des Fotos unbekannt.

Die Blutspur ist gut erkennbar, beiderseits des Gangs jeweils im unteren Bereich, vordere Sitzbank und Tür sind nicht im Bild. Die Innenseite der Tür zur Naß­zelle ist gut erkennbar. Die von Blut und Hirnmasse gereinigten Wände hinter der sitzenden Leiche auch. Zu den Details kommen wir später.Zuerst ist Grundsätzliches zu klären. Wie kontaminiere ich den Fundort von Leichen? Indem ich alle Anwesenden einmal reihum das Wohnmobil betatschen lasse. Saubere Tatortarbeit ist ja nicht erst in Auswertung des 4.11. ab 1. Januar 2012 als verbindliche Norm für Polizei­arbeit in Kraft getreten. Das ist ein Relikt aus dem letzten Jahrtausend wenn man so will, das nur die Personen in den Blutlachen herumhüpfen dürfen, die das auch dürfen.

In Eisenach war alles anders. Eine Vollversammlung der Polizeihonorationen und Rechtsmediziner. Und was genau passiert? Nichts. Überhaupt nichts. Der Fundort der Leichen schreit Doppelmord und die machen auf Hände in die Taschen, es ist Freitag nach Eins.

Erstmal betatscht jeder mit seinen Fingern das Wohn­mobil. Eine sehr generöse Geste vom Einsatzleiter, denn somit hat er Tatverdächtige, -begleiter oder -zeugen gleich mal in den Rang von Tatortberechtigten erhoben. Das zum einen. Zum zweiten passierte etwas viel Schlimmeres. Der Fundort wurde durch die Anwei­sung des Polizeidirektors Menzel in erheblichem Umfang verändert und endgültig kontaminiert, als er ohne jede Not das Wohnmobil über eine Rampe auf einen Abschlepp­wagen hieven ließ und an ein stilles Örtchen ver­brach­te. Mehr Schlamperei an Tatortarbeit geht kaum.

Das ist an den Fotomappen sehr gut erkennbar. Alle Mappen sind ohne Verantwortlichkeit und Zeitstempel ausgefertigt. Es ist nicht ersichtlich, ob die Gothaer Polizei, das LKA Thüringen, das BKA oder Helfer aus anderen Bundesländern die Spurendokumentation vorge­nommen haben. Es ist nicht ersichtlich, wann welches Foto angefertigt wurde. Es sei an einem Detail deut­lich gemacht. Die Spurendokumentation ist wertlos, da mit bösen Fehlern behaftet. Und seien sie versichert. Das war Absicht. Der Schlendrian kommt oben drauf.

Falls ich kurz einwenden darf. Es gibt wohl ein Problem. Bei einer Zeugenbefragung äußerte einer der Feuerwehrmänner, Herr Klapper, der kurz einen Blick ins Innere des Wohnmobils geworfen hat, zur Lage der Leiche:

“Die Füße standen nach oben, also müsste er auf dem Rücken gelegen haben.”

Ein anderer Feuerwehrmann sagt es etwas anders.

Zeuge Nennstiel: “Ich war der Meinung auf dem Rücken mit beiden Füßen in Fahrtrichtung”.

Auf dem Foto sieht das aber eher so aus, daß die vordere Leiche auf dem Bauch liegt, der linke Arm weit von sich gestreckt. Dann hat doch die Abgeordnete, die die Fragen gestellt hat gepennt oder sich nicht vorbereitet. Das ist doch nicht zu übersehen.

So ist es, bezogen auf die Aktenfotos, erst mal Fakt. Doch ob und wie die Leichen wirklich gelagert waren, das wissen die Götter und Menzel, der die Fotos beschlagnahmen ließ. Ohne Herbeiziehung aller Fotos ist eine Analyse schwierig. Das ist aber so gewollt. Schauen wir uns solange andere Details an.


Foto zur Lage der Pumgun unter Leiche 1. Repetiermechnaismus direkt oberhalb des Kopfes.

Wir benötigen zwei Orientierungspunkte. Die Armbanduhr am linken Arm ist in etwa auf der gleichen Höhe wie die rückwärtige Begrenzung der hinteren Sitzbank rechts. Direkt über dem Kopf sehen wir den Griff des Repetiermechanismus der Flinte. Die Mündung der Pump­gun befindet sich damit knapp unterhalb der rück­wär­ti­gen Begrenzung der hinteren Sitzbank.


Foto zur Rekonstruktion Lage der Pumgun. Diese Phantasieversion würde zu schweren Fehlern in einer 3D-Simulation des Fundortes der Leichen führen, so sie in die Daten einfließt.

In der von der Leiche bereinigten Version der Dokumen­tation stellt sich das anschließend vollkommen anders dar. Eine Tatsimulation, die bei einem Doppelmord in jedem Fall erfolgt wäre, käme bei dieser Spurenlage zu vollkommen falschen Schlüssen, denn das sind etwa 50 Zentimeter Unterschied. Dieser Fehler hat die gleiche Qualität wie die Fälschung des Fundes einer Pistole H&K P2000, von der sie mir berichtet haben.Es gibt, räumlich gesehen, 6 wichtige Punkte im Wohn­mobil, die bei korrekter Vermessung und 3d-Animation des Innenraumes eine ziemlich gute Analyse oder den Ausschluß bestimmter Tathypothesen ermöglicht hätte. Wir haben zwei Schußdefekte im Dach, einen am Fahrer­haus, eine an der Schlafkabine hinten.


Beispielfoto hinteres Ausschußloch, Dokumentation der Spur geht nie darüber hinaus.

Den Fotos nach könnten es Flintenlaufgeschosse gewesen sein. Auch hier gilt die Frage: Wurde der Schußkanal bestimmt? Man hätte ja behelfsweise die aus dem Spiel ausgeschiedenen Stäbchen vom Beamten-Mikado nehmen können. Es war ja Freitag nach Eins und viele von denen standen arbeitslos in der Gegend herum. Zweitens wäre es vollkommen problemlos möglich gewesen, die beiden Schußdefekte nach örtlicher Spurensicherung großflächig mit Folie abzukleben, auszusägen und der Kriminaltechnik zur Analyse zuzuführen, um Gewebe­an­haftungen, Materialabrieb, Schmauch, als auch mög­li­ches Kali­ber oder sogar Typ der Waffe festzustellen.Die Lage der Leichen und Waffen in Beziehung zu den zwei Ausschußlöchern gesetzt, schließt einen Tather­gang schon mal aus, den vorhin besprochenen.

In der Gesamtschau dieser Bilder, die in dem ersten Bild vom Tatort zusammenfließen, kann nur ein Schluß gezogen werden. Ein beruflich mit Mord beschäftigter Kriminalist weiß nach wenigen Sekunden, daß es sich um einen Doppelmord handelt. Wer den wo begangen hat, das ist ein andere Frage, die zu klären ist. Viel wichti­ger ist eine andere Erkenntnis, die durch die Akten vermittelt wird. Es hat von Anfang an keine Ermittlung in einem Mordfall gegeben. Anders gesagt, der Kern der damit befaßten Ermittler hat alles getan, um diesen Sachverhalt zu vertuschen.

Fortsetzung folgt.

NSU: Blutbilder aus dem Wohnmobil – Teil 2

Teil 1

Kennen Sie den Prokop?

Klar. Timothy Truckle, „Der Samenbankraub“. Der beste Detektiv und Kundschafter der Welt, der uns in der Zukunft über den Weg laufen wird.

Nein. Otto Prokop, Rechtsmediziner an der Humboldt-Uni. Feiner Kerl. Der hat exzellente Vorlesungen gehalten. Das Fachliche haben natürlich andere gemacht. Außerdem ging es um Kriminalistik, nicht um Rechtsmedizin. Aber auf seine Art war er das, was man heute einen Enter­tainer nennt. Kein Kunststück. Österreicher. Gemüt­lich. Immer den großen Bogen von aus den Zeiten Öster­reich-Ungarns über die k.u.k-Monarchie ziehend, um bei den Verbrechen im Hier und Heute zu landen.

Er wollte nie Rechtsmediziner aus uns machen, sondern nur das Verständnis für das Fach wecken. Verbrechen klärt man nur im vertrauensvollen Miteinander zwischen Kriminalisten und Rechtsmedizinern auf. Das Recht könne man im Grunde weglassen, denn es handelt es sich um Mediziner.

Nur daß unsere Patienten tot sind. Was wir Rechts­mediziner machen ist nichts weiter als die Diagnose einer zum Tode führenden Erkrankung oder Verletzung. Mehr können wir nicht.

Seine Meriten hat er sich unter anderem mit der Unter­suchung des Blutes erworben. Das nur nebenbei. Was er in seiner Vorlesung mit allem österreichischem Charme zu vermitteln suchte? Der Kriminalist muß sich mit dem Rechtsmediziner verbünden. Kommen wir noch einmal auf eine fatale Aussage zurück, jene die der damalige Generalbundesanwalt den Abgeordneten andrehte und die bis heute unwidersprochen geblieben ist.

Nach dem bisherigen Ergebnis der Obduktion ist es so, dass Herr Mundlos Herrn Böhnhardt erschossen hat und dann sich selbst gerichtet hat.

 

Hätte Prokop diesen Satz noch vernehmen können, hätte er aus dem Stegreif ein unterhaltsames 90-Minuten-Feurwerk rechtsmedizinischer Irrtümer mit der Abwat­sche grandioser Dummheit verbunden und kein Blatt vor den Mund genommen. Eine Obduktion kann nämlich nur was? Die Krankheit diagnostizieren, die zum Tode führ­te. Oder mehrere, falls der Verdacht auf multiple To­desursachen besteht. Das ist schon alles. Eine Obduk­tion kann aber keinen Tathergang erklären. Genau dazu sind wir da, die Kriminalisten. Der Rechtsmediziner wird unserer Hypothese beipflichten oder sie wider­le­gen, denn wenn ich mit einem Messerstich bei ihm antrete, er aber nur eine Schußverletzung gefunden hat, dann wird es schwierig. Die Schußverletzung selber sagt noch lange nichts über die handelnden Akteure. Außer in dem Fall mit den schütteren Akten. Da wissen Obduzenten genau, wie sich der Tatverlauf abspielte. Meint der Range.

Wir müssen uns also zwei Fragen stellen. Welcher bekloppte Gerichtsmediziner war das, der den Range dermaßen fehlerhaft informierte? Oder war es gar kein Rechtsmediziner sondern eine aus Zeitgründen gestrickte Notlösung?


Hypothese des BKA mit Datum 21.11.2011, die so am selben Tag den Abgeordneten im Bundestag verkauft wurde. Screenshot aus Seite 14, 20 und 21 Ordner 1, Komplex 4.1 Wohnmobil

BÖHNHARDT kommt durch einen Schuss der Winchester Pumpgun in die linke Schläfe zu Tode.

Obduktionsergebnis Böhnhardt

Vermutlich wurde der Schuss durch MUNDLOS abgefeuert

noch keine Nachweise hierfür verfügbar

MUNDLOS entfacht mit Papier ein Feuer im Wohnwagen.

→ BOHNHARDT war zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben (Kein Rauch in der Lunge).

MUNDLOS setzt sich im hinteren Teil des Wohnmobils auf den Boden, stellt die Pumpgun auf den Boden, steckt sich die Waffe in den Mund und tötet sich selbst.

→ Obduktionsergebnis MUNDLOS


Symbolfoto: Rekonstruktion eines Schußkanals

Da haben sie die Quelle des Unfugs. Nichts da von wegen nach bisherigem Ergebnis der Obduktion. Es ist eine mit 99% Konjunktiven versehene Hypothese eines Beamten, die den Weg in Ranges Gehör fand. Das Dilemma, die Obduktion kann den Hergang der Tat, wie geschildert, nicht liefern. Was sie geliefert hat, ist die Rekon­struktion eines Schußkanals.

Sollte das die wahrscheinliche Variante des Schuß­kegels sein, um einen solchen handelt es sich nämlich in der Verlängerung, dann wird es sehr schwierig sein, dies mit der Hypothese der Kriminalpolizei in Einklang zu bringen.

Die höchsten Repräsentanten der Exekutive haben offenbar bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Nichtermittlung im Fall des Doppelmordes mit Lügen bzw. sehr zweifelhaften Aussagen operiert. Das, was sie erzählt haben, läßt sich mit den Akten nicht belegen.

Fortsetzung folgt.
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[update 17:00 Uhr]

Damit keine Verwirrung entsteht, da nur der auf die Aussage von Range bezogene Kern im Screenshot erfaßt ist.

Schuß 2 war der erste aus der Winchester.

Schuß 1 war das Dauerfeuer aus der MPi Pleter, um die anrückende Polizeihundertschaft in die Flucht zu schlagen.