Zehlendorf, 12.8. 2015
Wer lange genug in Dingen herumstochert, die die Öffentlichkeit nichts angehen, taumelt irgendwann rein zufällig durch jene Tapetentüren, die uns von der Schattenwelt der Geheimdienste trennen. Der Schelm, der dann nicht rasch seinen Irrtum erklärt und flott zurückweicht, um auf immer das Maul zu halten, kann sich auf einiges gefasst machen.
(A9 vor Leipzig)
Im letzten Jahr kurz vor Weihnachten erreichte mich die Nachricht, ich solle André Kapke anrufen, man wolle mit mir sprechen. Ein wenig verwundert über solchen Eifer an den Feiertagen setzte ich mich ins Auto; es war der 23. Dezember. Die Straßenverhältnisse waren in Ordnung und ich erreichte Jena ohne Verzögerungen. Dort stellte ich den Wagen in der Nähe des Zentrums ab und machte mich zu Fuß zu einem Einkaufszentrum auf.
Die Brüder von der anderen Feldpostnummer waren an diesem Tag eher zurückhaltend unterwegs, nicht wie in den Wochen zuvor, als man zeitweise im Stundentakt vor dem Büro erschien. Insbesondere am Tag einer Fernsehsendung, die auf 3Sat ausgestrahlt worden war, hatten sich die Kollegen durch das Tragen von echten Polizeiuniformen, durch die Benutzung von uralten BRD-Wannen und besonders unfreundliche Blicke ausgezeichnet.
(Ungebetener stündlicher Faschings-Besuch in Zehlendorf, Spätherbst 2014)
Thüringen hat mich schon immer seltsam berührt, wahrscheinlich, weil die dortigen Menschen – ähnlich wie in meiner Heimat – durch die Industriekultur nur oberflächlich berührt und aufgemischt worden sind. Ein gewisses knallhartes Bauerntum schlägt dort immer noch durch, ob im Körperlichen, beim Schmuck des selbstfrisierten Golf oder in der wenig verträglichen „politischen Gesinnung“, die doch nichts anderes ist als der zur Recht hochgestreckte landwirtschaftliche Mittelfinger.
Wenn es in diesem Winter auch der Wunsch der Linken gewesen sein mag, die Realität abzuschaffen; kurz nachdem ich jenen Ort passiert hatte, an dem dereinst mit einer Bombenattrappe die Realität der 90er-Jahre abgeschaffte werden hätte sollen, erreichte ich ganz in Echt das Einkaufszentrum. Die freundliche Bedienung im Tabakladen wollte kein Geld für das verlangte Feuerzeug; Glühwein war im Spiel. André Kapke schien an diesem Abend gut drauf zu sein; ich stieg in seinen Transporter und ließ mich zu meinem Auto zurückbringen.
(Theaterhaus in Jena am 23. Dezember 2014)
Kapke hat sich bekanntlich einen Vollbart stehen lassen; die Schiebermütze verlieh ihm eine gewisse postmoderne Aura. Wir unterhielten uns ganz gut, es war nicht allzu peinlich in seinem Wagen. Als würdiger Repräsentant seiner Landschaft schlug mir der nur scheinbar düstere Anschein-Hipster einen Hexenturm in der Umgebung von Jena als Ort für ein Gespräch vor. Das klang ja vielversprechend; ich sollte ihm mit meinem Wagen folgen. Natürlich verloren wir uns bereits nach der dritten Kreuzung und Kapke schlug liebenswert-ironisch die Hände über dem Kopf zusammen wegen meiner Ungeschicklichkeit.
Der konspirative Konvoi näherte sich dem Hexenturm auf rohen Feldwegen. Tatsächlich ist Kapke ein sehr geschickter Autofahrer, wenn nicht gar der geschickteste Autofahrer, der mir je untergekommen ist. Ich bin selbst aus den Bergen, aber mit 70 bis 80 Stundenkilometern auf löchrigen, stark ansteigenden Feldwegen, das ist dann doch eine Kunst. Als wir ankamen, pfiff der Wind ums Gemäuer und Kapke eröffnete mir, dass er über seine eigene Rolle in der NSU-Komödie natürlich keine Auskunft geben werde.
Wir schritten um das uralte Türmlein und brüllten uns an, weil der Wind so stark war. Eine seltsame Bedrückung ging von Kapke aus, ja eine tiefe Resignation. Zwischendurch erzählte er von früher, von der Zeit, als er noch jung gewesen war und taute ein wenig auf. Sinn des Ganzen, so sein verschmitzter Hinweis, sei es, dass ich mit Herrn Olaf Klemke Verbindung aufnehme. Er wolle sich dafür einsetzen, dass ich mit dem Anwalt von Ralf Wohlleben spreche, meinte er.
Wir trennten uns und ich fuhr nach Jena zurück. Plötzlich überholte mich mit ungeheurem Geschick André Kapke und winkte mich an den Straßenrand. Seine Augen leuchteten; er hatte mit Klemke telefoniert. Klemke würde mich in den kommenden Tagen anrufen. Der Schleier aus Bedrückung und Schweigen war von Kapke abgefallen; und wenn er es auch bis ans Ende seiner Tage leugnen wird, er schien begeistert. Für einen Moment schien er ein freier Mensch zu sein.
Tatsächlich klingelte am Weihnachtstag zu einer unmöglichen Uhrzeit mein Handy. Immer noch gelähmt durch das Festessen am Vortag ließ ich mich dazu überreden, ihn zu treffen. Wie üblich bei solchen Aktionen umgab ich mich mit einem Gewölk an Desinformation, um nicht sofort Gegenstand der offenkundigsten Beobachtung durch das LKA 532 zu sein; was die Herren von Horch & Guck (oder, wie Karl Heinz Hoffmann so schön sagt, von Hear & Look) vorhatten, war mir sowieso egal.
(Ausschnitt aus einer gerichtsfesten Unterlagen-Sammlung)
Am Vormittag des 28. Dezember brach ich nach Cottbus auf. Ausgestattet mit der Vorstellung, Wohlleben säße zu Weihnachten ein und es stünden Entscheidungen an über eine grundlegende Veränderung seiner „Verteidigungsstrategie“, tankte ich noch schnell. Dass Wohlleben niemals verteidigt worden war, stand natürlich unverrückbar fest. Es war auch klar, dass die Schmonzette, ein solches Treffen grade zu Weihnachten zu veranstalten, ein wenig dick aufgetragen war. Weihnachten und Gefängnis, die Ehefrau allein zu Haus, das sollte wohl zu Tränen rühren.
Unerschrocken öffnete ich die Tapetentür und erreichte das Hochhaus, in dem Klemke sein Büro haben sollte. Tatsächlich führte er mich in eine so genannte Bürogemeinschaft, wobei die unmittelbare Zimmernachbarschaft zu radikalen Fußball-Fanvereinen und künstlich am Leben gehaltenen Vertriebenenverbänden doch ein klein wenig an geheimdienstliche Unterwanderung denken ließ. An solchen Orten heißt es, das Maul halten und schnell wieder weg.
Man unterhielt sich schließlich bei einem so genannten Italiener, der von Klemke auch gleich schmunzelnd als Afghane geoutet wurde. Die Unterhaltung begann schleppend; würde ich auf die gut gemeinten Ratschläge hören, solche Treffen zu filmen oder auch nur den Ton mitzuschneiden, ich hätte jetzt etwas, über das ich heimlich lachen könnte. Klemke dagegen konnte vor Schläue kaum gehen; seltsam vielsagend zuckte die nackte Kopfhaut unter der hässlichen Brille. Andererseits bedeutete das, was er sagte, nichts.
Konfrontiert mit Hinweisen auf grobe Beweismittelfälschungen veränderte sich das Zucken der nackten Kopfhaut für einen kurzen Moment ein wenig; er schien für Bruchteile von Sekunden ungeheuer schlau über mich nachzudenken und fraß dann weiter seine Nudeln. Mit den Gutachten der Bundesanwalt schien er einverstanden, schlussfolgerte ich ohne jede beweisfähige Grundlage ebenso schlau.
Plötzlich meinte er, er wolle Steine ins Wasser werfen. Aha, dachte ich.
(Glatzkopf mit Brille, Symbolfoto)
Wir verabschiedeten uns freundlich; leider kam nach einiger Zeit das böse Gerücht auf, Klemke habe für einen kurzen Moment seine Schläue vergessen und Wohllebens Frau erzählt, wir hätten uns nie getroffen. Lediglich wirre E-Mails habe er erhalten, so das Gerücht. Und Herr Wohlleben soll auch davon überzeugt gewesen sein, dass der Arbeitskreis NSU dem Herrn Klemke keine hieb- und stichfesten Beweise für die Verbrechen der Ermittlungsbehörden vorgelegt hat. Wie soll da der Herr Klemke auch richtig verteidigen, wo er vom AK nichts bekommt?
Böse Gerüchte. Frau Wohlleben, fragen Sie doch mal nach.
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Einzig und allein das Bemühen, Widersprüche in der Zeugenaussage selbst oder zwischen ihr und anderen Beweisergebnissen durch eine engagierte Nutzung des Fragerechtes aufzudecken oder das Anbringen von Beweisanträgen zur Widerlegung von Angaben des Belastungszeugen werden den Prozess zugunsten des Mandanten beeinflussen.
http://www.olaf-klemke.de/praxisstrafverteidigung.html
Seite 10 dort… hat er nicht umgesetzt. Ganz schlecht.
Hat dies auf MURAT O. rebloggt.
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