HN: Wer waren die ersten Polizisten am Tatort?

Wer das vorige Posting verwirrend fand, der lese mal das hier:

Einige Minuten nach 14 Uhr fährt ein Handwerker mit seinem Rad über die Fußgängerbrücke Richtung Heilbronner Hauptbahnhof. Auf Höhe der Theresienwiese schaut er nach rechts und sieht einen Streifenwagen, der neben einem roten, flachen Klinkerbau abgestellt ist. Aus dem Augenwinkel heraus sieht er, dass die Fahrertür des Streifenwagens geöffnet ist und »etwas« aus der Tür heraushängt. Um sich zu vergewissern, stoppt er, wendet sein Fahrrad und fährt zurück. Von seinem Standort aus, etwa 20 Meter von dem Auto entfernt, kann er dann erkennen, dass offensichtlich ein Polizist mit blutverschmiertem Hemd aus der geöffneten Fahrertür heraushängt. Er dreht wieder um, fährt zurück zum Fahrradweg und weiter Richtung Bahnhof. Dort spricht er den ersten Taxifahrer an. Der ruft die Polizei. Das Telefonat beginnt um 14 Uhr 12 und 24 Sekunden. Es wird zum Polizeirevier Heilbronn umgeleitet, wo der Beamte zunächst Probleme hat, den Mann zu verstehen, der Taxifahrer gibt sein Handy daher dem Radfahrer, damit dieser erklärt, was passiert ist.

Gegen 14 Uhr 18 hat der Mann in der Funkzentrale den Sachverhalt vollständig aufgenommen, notiert er.

Nun widersprechen sich in den offiziellen Akten, Vermerken und Dokumenten fast alle zentralen Uhrzeiten und Daten.

Um 14 Uhr 14 und 28 Sekunden – also kurz nachdem der Taxifahrer sein Gespräch mit der Polizei begonnen hat – kommt über Polizeifunk die erste Meldung über angeschossene Kollegen auf der Theresienwiese.

Aber schon um 14 Uhr 12 war durch das Landespolizeipräsidium Stuttgart der »Ring 30«, also eine Ringfahndung 30 Kilometer um den Tatort herum, ausgelöst worden. Das soll damit zusammenhängen, dass die Zeiten nicht immer korrekt im System abgespeichert werden. Bei der Ringfahndung werden bestimmte Kontrollpunkte durch Streifenwagen besetzt, deren Besatzungen sich die Nummernschilder aller vorbeifahrenden Autos notieren. Um 14 Uhr 15 und 21 Sekunden wird die sogenannte Bereichsfahndung in einem Radius von fünf Kilometern um den Tatort ausgelöst. Ebenfalls um 14 Uhr 15 startet der erste Polizeihubschrauber, Bussard 805, in Stuttgart. Er wird 15 Minuten zum Tatort brauchen. Um 14 Uhr 16 und 15 Sekunden trifft die erste Streife am Tatort ein, weitere folgen in kurzen Abständen. Das Gespräch mit dem Taxi- und dem Radfahrer dauert zu diesem Zeitpunkt noch an.

Um 14 Uhr 18 meldet eine Polizistin über Funk, ohne dass sie ihren Namen angibt oder dass ein Notarzt vor Ort wäre, dass eine Kollegin tödlich getroffen ist. Das Problem ist: Die Heilbronner Polizei behauptet, dass diese Beamtin die junge Polizeimeisterin Kind sei. Die ist aber um 14 Uhr 15 noch in der Funkstube der Wache, muss also in drei Minuten aus dem Gebäude rennen, sich einen Streifenpartner suchen, in einen Streifenwagen springen und durch den dichten Verkehr die dreieinhalb Kilometer zur Wiese fahren. Sie scheint das bemerkt zu haben, denn sie korrigiert später ihr Protokoll und schreibt, sie sei um 14 Uhr 22 angekommen.562

Auch vor dem OLG bleibt sie bei dieser Darstellung und beteuert, man sei wirklich durch die Stadt »gerast«. Auf die Widersprüche in den Protokollen wird sie allerdings vor Gericht nicht angesprochen.

Um 14 Uhr 22, also die korrigierte Zeit, die Kind angibt, ist die Notärztin jedoch schon lange am Tatort. Sie schreibt auf den Totenschein den Zeitpunkt des festgestellten Todes: 14 Uhr 22. So heißt es auch in einem Ablaufvermerk: »Die unmittelbar danach eintreffende Notärztin, Frau Dr. S., … konnte um 14.22 Uhr bei PM’in Michèle Kiesewetter nur noch den Tod feststellen. Als todesursächlich diagnostizierte sie eine Schussverletzung am Hinterkopf.« Eine Aussage der Notärztin ist nirgends zu finden, auch beschreibt keiner der ersten Zeugen am Tatort die Arbeit der Notärztin.

Kind und ihre Kollegen hingegen behaupten, die zwei Streifenwagen der Heilbronner Polizei seien als erste am Tatort gewesen. Die eine Besatzung besteht eben aus Polizeimeisterin Kind und ihrem Partner Thomas. Der sagt: »(Ich) trat an die Fahrerseite heran, um erste Hilfe zu leisten. Die Kollegin hing mit dem Oberkörper aus dem Fahrzeug, mit dem Kopf leicht seitlich nach vorne. Die Beine befanden sich noch im Fahrzeug. Angeschnallt war die Kollegin nicht. Die Kollegin wurde vom Uz. teilweise aus dem Fahrzeug gezogen (Füße verblieben im Fahrzeug) und der Oberkörper auf den Boden rücklings abgelegt. Hierbei stellte Uz. fest, dass die Kollegin einen Kopfschuß erhalten haben mußte und jegliche Hilfe zu spät kommt. (Keine erkennbaren Lebenszeichen)«

Seine Kollegin Kind, die eben noch am Funk war, beschreibt den Tatort so: »Beide Türen des Streifenwagens standen offen, die Fenster waren beide geöffnet, der Motor war aus. Kollege Thomas rannte sofort zur Fahrerseite und ich zum verletzten Beifahrer, dieser hatte die Augen geschlossen. Kurz darauf rief PHK Thomas, dass die Beamtin ›Ex‹ sei und kam auf meine Seite. Die Füße des Beamten lagen noch im Fahrzeuginnern, sein Körper lag auf dem Boden, schräg zum Fahrzeug. Auf dem Sitz lag eine abgebrannte Zigarette und eine Sonnenbrille. Kollege Thomas riß dem Beamten das Hemd auf und die Schutzweste vom Körper. Als ich wieder am Fahrzeug der Bereitschaftspolizei war, kam auch schon PHK Hinderer auf uns zu gerannt und sagte, dass er Rettungssanitäter sei.«

Nur: Der Kollege von Kiesewetter hat auch einen Kopfschuss und wird überleben, warum nimmt man das Urteil eines Arztes über Funk vorweg? Wer hat den Puls bei Kiesewetter genommen? Warum, und das wird die drängendste Frage sein, zieht niemand das Opfer ganz aus dem Auto? Eine Notärztin soll, bei halb-offener Tür, ein Opfer halb im Wagen liegend erstversorgt und dann dessen Tod festgestellt haben?

Ein anderer Beamter, der kurz nach Thomas und Kind am Tatort ist, beschreibt die Situation so: »… Ich sah, dass der schwerverletzte Kollege aus dem BMW noch den Rest eines Brötchens in der Hand hielt. Ich erkundigte mich, was mit dem anderen Kollegen im BMW war. Die Kollegin sagte, dass die Kollegin vermutlich tot sei. Ich ging um die Motorhaube zur geöffneten Fahrertür. Ich sah die Kollegin aus dem Fahrzeug hängen, an der B-Säule und auf dem Schweller, sie lag auf der linken Körperhälfte. Die Beine waren noch im Fußraum.« Auch er zieht Kiesewetter nicht aus dem Auto und sagt nichts von einer Notärztin bei Kiesewetter, aber: »Ich sah, dass das Holster leer war. Mir fiel auch auf, dass die getötete Kollegin noch ein Handy in der Hand hielt, ich glaube rechts. Die getötete Kollegin gab keine sichtbaren Lebenszeichen von sich. Ich habe mich gebückt und unter das Fahrzeug und in den Fußraum geschaut. Dort ist nichts gelegen. … Ich sagte noch zu der Kollegin, dass die Dienstwaffe der getöteten Kollegin fehlte. Da hörte ich auch schon die Sirenen der herannahenden Streifenfahrzeuge. Es erschien ein Fahrzeug nach dem anderen.«

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Quelle: Heimatschutz. Ungekürzte Passage.

Probleme:

– die Polizistin Kind, erste Polizeistreife am Tatort, das könne nicht stimmen. Käme zeitlich nicht hin.

– eine unbekannte Kollegin hätte sich am Funk gemeldet, dass Kiesewetter tot sei. Wer ist diese Kollegin?

– die Notärztin S. fehlt in den Schilderungen der 3 Erstpolizisten Kind, Thomas, Hinderer, die Notärztin muss aber schon dort gewesen sein, wenn 14:22 stimmt.

Ordner 1 (veröffentlicht) :

Die unmittelbar danach eintreffende Notärztin, Frau Dr. SCHRÖDER, SLK-Klinikum Heilbronn, konnte um 14.22 Uhr nur noch den Tod von PM’in Michele KIESEWETTER feststellen. Als todesursächlich diagnostizierte sie eine Schussverletzung, vermutlich am Hinterkopf.
Der schwerstverletzte PM Martin ARNOLD wurde nach seiner notärztlichen Versorgung
am Tatort mit einem Rettungshubschrauber in die Neurochirurgie des Krankenhauses
Ludwigsburg eingeliefert. Dr. med. Seiler, der den Transport begleitete, diagnostizierte
bei PM ARNOLD ebenfalls eine vermeintliche Schussverletzung am Kopf.

Ordner 2:

Nach und nach trafen die aufgeführten Rettungskräfte ein:

RTW 1/83-2 (DRK): Tobias Diem, geb.: 16.10.82/HN u. Albert Lecher, geb.: 02.11.73
Frau Dr. Schröder (Notärztin in HN)
Dr. Hassling, Plattenwald
Ltd. Notarzt, Dr. Breuer
DRK, Markus Stahl u. Hans Jürgen Winkler, Rettungsassistenten v. Plattenwald
Christoph 41

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Noch eine Passage aus Heimatschutz dazu: (ungekürzt)

Der Chef der ganzen Einheit bestätigt den Anruf: »… [mich] erreichten … zahllose Anrufe. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir der Anruf von Koll. Timo Heß, der mir dann sagte, dass Michèle tot sei und Martin [die Fahrt] ins Krankenhaus vermutlich nicht überleben wird. Ich habe ihn dann noch gefragt, ob er sich sicher sei, woraufhin er entgegnete, dass Michèle vor ihm auf dem Boden liegt. Ich muss zugeben, dass ich in diesem Moment zu Martin gar kein Gesicht im Kopf hatte.«

Es ist gegen 14 Uhr 25. Innerhalb sehr kurzer Zeit ist alles voller Polizisten. Ein Beamter der BFE 523 hat unmittelbar nach der Tat das Mobile Einsatzkommando (MEK) Karlsruhe am Tatort gesehen, so sagt er noch 2011: »Ich meine mich noch vage daran erinnern zu können, dass wir die Kräfte des MEK Karlsruhe gefragt haben, was wir mit den [indischen] Personen jetzt machen sollen. Zu der zweiten Person habe ich nichts vermerkt. Wenn ich mich recht erinnere, dann haben die beiden ein indisches Aussehen gehabt. … Ansonsten ist mir an den Personen nichts aufgefallen, also kein Blut, und auch die Kleidung kann ich nicht mehr beschreiben.« Das MEK Karlsruhe ist 92 Kilometer weit weg stationiert. Auf einigen Fotos nach der Tat sind Kastenwagen mit dem Nummernschild KA für Karlsruhe zu erkennen. Es ist ungeklärt, was das MEK Karlsruhe so schnell, wenige Minuten nach der Tat, am Tatort gemacht hat. Denn die indischen Zeugen, die mehrmals angesprochen wurden, waren mit die Ersten am Pumpwerk, sind nicht lange am Wagen stehen geblieben, sondern kurz darauf Richtung Süden, zu einem der Ausgänge der Wiese, gegangen.

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Probleme:

– in sämtlichen Akten gibt es weder Namen noch gar DNA- oder Fingerabdruckvergleiche mit Polizisten des MEK Karlsruhe, die doch angeblich am Tatort waren, direkt nach dem Mord. Waren sie das überhaupt?

– es ist nicht ersichtlich, ob die unbekannten DNA-Spuren auf den Opfern Kiesewetter und Arnold (Stand Juli 2011) mit Polizisten abgeglichen wurden, die nicht aus BFE 523, BFE 514 oder PD Heilbronn kamen.

Die Kollegentreffer DNA auf den Opfern bzw. auf ihrer Kleidung kommen in Heimatschutz gar nicht vor.

Die Suche nach Unterziehgürtel ergibt NULL Treffer.

Die Suche nach Koppel ergibt einen Treffer:

koppel

Die Suche nach Gürtelhalter ergibt NULL Treffer

Hier gilt Dasselbe:

Ist Heimatschutz zurecht skeptisch, was die Frage nach den ersten Polizisten angeht?

Hat das was mit Kollegin Motz zu tun, warum fehlen die DNA-Kollegentreffer im Buch?

Finden wir wenigstens die Bilder mit den MEK-Karlsruhe-Bussen?

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6 comments

  1. Interessant ist auch die Kontrollstellenliste an der Wiese. 14.45 Uhr kontrolliert ein Koll. Seyboth mehrere Personen. Würde mal abgeglichen wie der Herr mit Vornamen heisst?

    Hätte wahrscheinlich am 5.11.2011 passieren sollen!

    So wie das Feuerzeug ein Schlüssel sein kann, ist der Polizistenmord von Heilbronn einer für die Aufklärung des NSU. Fällt Heilbronn, werden Köpfe rollen, länderübergreifend, bundesweit.

      1. Das wäre wirklich ein löblicher Arbeitseinsatz, in der Urlaubswoche bereits 25 min. nach Eintreffen der ersten Kollegen vor Ort und Passanten aufschreiben. 😉

        Bei dererlei Gefechtseifer passieren auch mal Fehler und der ein oder andere Passant wird vergessen aufzuschreiben oder vom Büchlein in den Berichtsbogen zu übertragen.

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