DIE WAFFENTECHNISCHEN GUTACHTEN DES BKA TEIL 3: Weitere Erkenntnisse zur RADOM VIS 9 MM

Rekapitulieren wir kurz die Hauptdaten:

Die Waffe Radom 9 mm (Spur 20, später W01) wird am 5.11.2011 aufgefunden.

Sie geht am 8.11.2011 mit W02 Pistole Erma (Spur 21) und W03 Pistole Walther (Spur 22) ans LKA-Labor nach Dresden

Im Labor in Dresden findet man nichts: Keine Fingerabdrücke, keine DNA.

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waffen1

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Am 10.11.2011 treffen diese 3 Waffen aus Dresden gemeinsam mit den 8 Schuttwaffen W04 (Ceska 83 SD) bis W11, alle aufgefunden am 8.11. bzw. am 9.11. (Superfindetag) beim BKA ein.

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101-neu 102 103

Das sollte soweit nachvollziehbar sein. Auffindedaten der Waffen laut Protokollen links, in Blau.

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NSU Prozess

Weitere Erkenntnisse zur Pistole Radom 9 mm Para

Asservatenbeschreibung: F.B. Radom VS Mod. 35, HI836

Die oben näher bezeichnete Pistole Radom wird im sogenannten NSU Verfahren von der Anklagebehörde als eine von zwei bei dem Mord in Heilbronn verwendeten Tatwaffen angesehen.

Aufgefunden und polizeilich gesichert wurde die Pistole Radom am 05.11.2011 in der abgebrannten Wohnung Frühlingstraße 26 in Zwickau nach der Beräumung des Brandschuttes von Kriminalhauptkommissar Lenk.

Auffinde-Stelle = Fußboden Schlafzimmer (H)

Da lag also eine Pistole im Schlafzimmer auf dem von Schutt befreiten Fußboden?

Das ist seltsam.

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Vgl. Protokoll über kriminaltechnische Tatortarbeit vom 10.11.2011:

Die Pistole Radom (Spur 20 bzw. W01) wurde zusammen mit zwei weiteren Pistolen, der Tokarev W08 und der Ceska 83 W04, innerhalb des BKA (weil es die 3 vermuteten Mordwaffen waren unter den 11 am 10.11.2011 beim BKA eingetroffenen Waffen aus Zwickau) sofort nach Eintreffen an KT 31 weiter gegeben und auf DNA-Spuren untersucht:

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kt 31

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An der Pistole Radom konnten, laut Untersuchungs-Ergebnisbericht, (der kein behördliches Gutachten darstellt), durch molekulargenetische Untersuchungen auf insgesamt 10 einzelnen Teilen der Waffe DNA-Spuren gesichert und ausgewertet werden. Sämtliche 10 Spuren waren im LKA-Labor in Dresden übersehen worden. Das ist nicht nachvollziehbar.

Siehe nachstehende Tabelle:

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dna

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Aus dem Untersuchungsergebnis ist eine erstaunliche Leichtfertigkeit der Polizei im Umgang mit hochwichtigem Spurenträgermaterial ersichtlich.

Die Mehrzahl der auf der als Tatwaffe angenommenen Radom-Pistole gesicherten DNA-Spuren stammt von „berechtigtem Personal“. Als ob die Polizei berechtigt wäre, auf den von ihr gesicherten Gegenständen Spuren zu hinterlassen. Allein dieser Umstand ist schon skandalös.

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Von entscheidender rechtlicher Bedeutung für das hier relevante Strafverfahren sind jedoch die folgenden drei speziellen Spuren:

  1. Die DNA-Spur einer unbekannten Person (P1) am Abzugsbügel als vollständiges Muster.

  2. Ein weiteres vollständiges Muster einer unbekannten Person (P1) im Bereich Verschluss/Schlitten.

  3. Und schließlich noch ein DNA-Befund einer weiteren unbekannten Person (P4) am unteren Bereich des Griffs/Magazinboden.

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DNA Spuren von Mundlos und Böhnhardt konnten nicht festgestellt werden.

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Im Ergebnis bedeutet die Spurenlage, dass die letzte Person, die aus der Radom einen oder mehrere Schüsse abgegeben hat, weder Mundlos noch Böhnhardt gewesen sein kann.

Nun könnte man sagen, die Spurenlage beweist ja nur, dass eine bisher unbekannte Person die Pistole Radom als letzter in der Hand hatte, nicht jedoch, dass dies im Zusammenhang mit einer Schussabgabe geschehen ist. Die unbekannte Person könnte ja die Waffe nur in der Hand gehalten haben, beispielsweise im Zusammenhang mit einem Verkaufsangebot? Oder einfach nur beim Herzeigen?

Dieser Einschätzung steht aber entgegen, dass die ominösen Fremdspuren unbekannter Herkunft nicht etwa auf dem Griffstück zu finden sind, sondern genau auf den Teilen, die unmittelbar bevor und zur Schussabgabe erforderlich sind. Dabei muss der Schütze zwar auch das Griffstück umfassen, und das war ganz sicher auch der Fall, aber diese Spuren sind durch die Überlagerung der von „Berechtigten“ erzeugten Spuren eliminiert worden.

Die Waffe wird durch Einführen des mit Patronen gefüllten Magazins teilgeladen. Dazu wird mit dem Handballen auf den Magazinboden geklopft um das Magazin einrasten zu lassen.

Daher die Spuren auf dem Magazinboden und im unteren Bereich des Griffstückes.

Dann muss der Verschluss/Schlitten von Hand zurückgezogen werden. Damit liegt der obere Teil des mit Patronen bestückten Magazins frei. Die erste Patrone gleitet auf dem Zubringerteil des Magazins durch Federdruck (der Magazinfeder) nach oben und schiebt sich mit ihrer am Hülsenboden befindlichen Randrille in die dafür vorgesehene halbkreisförmige Einkerbung des Stoßbodens. Dabei rastet die als federndes Teil ausgebildete Auszieherkralle in die Patronenhülsenrille ein. Sobald der Schütze den Schlitten loslässt, schnellt dieser durch Federdruck (Rückholfeder) nach vorn, nimmt dabei die Patrone mit und befördert sie in das im Lauf befindliche Patronenlager. Bei diesem Vorgang wird gleichzeitig die Schlagbolzenfeder gespannt.

Damit ist die Waffe feuerbereit geladen.

Die Verteilung der aufgefundenen DNA-Spuren am Abzug, am Schlitten und am Magazinboden, ist ein ziemlich sicheres Zeichen dafür, dass der letzte aus der Radom verfeuerte Schuss von einem bisher Unbekannten abgegeben wurde.

Nun könnte man sagen, ja aber wir wissen ja nicht, ob davor, vor dieser letzten Schussabgabe nicht schon von anderen Personen Schüsse aus der Waffe abgegeben worden sind?

Richtig! Genau das ist der Punkt. Es kann nicht angehen Mundlos und Böhnhardt zu unterstellen, sie hätten in Heilbronn geschossen, wenn es dafür überhaupt keine Beweise gibt.

Ob und inwieweit die Auffinde-Situation der Waffen als Beweis für eine Täterschaft bei Mordtaten gewertet werden kann, ist eine andere Frage.

Auch mit den beiden im Umfeld von Böhnhardt und Mundlos aufgefundenen Polizeiwaffen kann nur bewiesen werden, dass sie im näheren Umfeld von Mundlos und Böhnhardt unmittelbar nach deren ungeklärter Tötung aufgefunden wurden.

Aber die „sogenannte“ Verkaufswegermittlung ist ein anderes Thema, welches auch noch genauer untersucht und erörtert werden muss.

Karl-Heinz Hoffmann 23.12.2014

http://karl-heinz-hoffmann.com/aktuell.html

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Fragen an das BKA:

1. Wie kann es sein, dass sämtliche DNA-Spuren vom LKA-Labor übersehen wurden, aber vom BKA sogar der Labormitarbeiter des LKA SN (Dresden, Sachsen) gefunden wurde?

2. Hat das LKA Sachsen bei der (erfolglosen) Suche gar Fingerabdrücke zerstört?

3. Warum wurde die Ceska W04, immerhin behauptete Mordwaffe in 9 Fällen, gar nicht vom BKA auf Fingerabdrücke untersucht, so dass der -alberne- Versuch, dieses nachzuholen erst 2014 vom OLG-Richter Götzl beauftragt werden musste?

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Fragen an die Verteidigung Zschäpe und Wohlleben:

1. Wie einfältig muss man sein, um bei der Vorstellung der BKA-Gutachten durch das BKA keinen eigenen Waffensachverständigen im Saal zu haben, der den BKA-Vortrag auf fachliche Richtigkeit prüft?

2. Da die Gutachten nicht in den Prozessakten enthalten sind, ist der Verzicht auf eigenen Sachverstand geradezu ein Skandal.

3. Das böse Wort vom Mandantenverrat kommt jedem neutralen Beobachter zwangsläufig in den Sinn, falls er es nicht als blosse Dummheit bezeichnen mag.

4. Wie kann die Verteidigung auf neutrale Waffengutachten verzichten und den zweifelhaften BKA-Vortrag einfach so durchwinken, und das bei sämtlichen 5 angeblichen Tatwaffen?

5. Wie kann es sein, dass die Verteidigung darüber hinweg geht, dass auch auf der  6. Tatwaffe, der „Selbstmordflinte Winchester“, nirgendwo Fingerabdrücke zu finden waren, jedoch Fingerabdrücke von der Leiche Mundlos genommen werden konnten, die keine Handschuhe trug? Es MUSS Fingerabdrücke am Abzug geben, mindestens dort, es gibt sie jedoch nicht. Konsequenz?

6. Ist der Verteidigung nicht klar, dass sie mit ihrer „Unfähigkeit“ wahrscheinlich einen Doppelmord an Mundlos und Böhnhardt verdeckt bzw. dazu Beihilfe leistet?

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5 comments

  1. Jedes Gutachten eines LKA oder BKA Sachverständigen muss den der Dokumentationspflicht genügen. Dies sollte jeder Strafverteidiger wissen und bei derart gravierenden Widersprüchen zwischen LKA und BKA hätte ich als Verteidiger gerne diese Dokumentation auf meinem Tisch und in den Gerichtsakten. D.h., ich will wissen: Wie wurde bei der Sicherung der DNA vorgegangen? Und zwar beginnend von der Gesamtschau der Waffe, bis zur Demontage. Nur wenn diese Vorgehensweise bei beiden Gutachten bekannt ist sind die Widersprüche verifizierbar.
    Ein kleiner, technischer Fehler im Artikel: Der Schlagbolzen wird bereits beim Zurückziehen des Schlittens gespannt.
    Ein kleiner rechtlicher Fehler: Dummheit und Unwissenheit eines Strafverteidigers ist kein Parteiverrat. Aber es ist ein Grund einen Pflichtverteidiger zu entbinden.
    Glückwunsch zu den bisher gelesenen Waffentechnischen Artikeln.

  2. zu den Fragen an das BKA:

    2. Hat das LKA Sachsen bei der (erfolglosen) Suche gar Fingerabdrücke zerstört?

    3. Warum wurde die Ceska W04, immerhin behauptete Mordwaffe in 9 Fällen, gar nicht vom BKA auf Fingerabdrücke untersucht, so dass der -alberne- Versuch, dieses nachzuholen erst 2014 vom OLG-Richter Götzl beauftragt werden musste?

    Hierzu hat das BKA am 26.02.2014, als Reaktion auf einen FOCUS-Bericht, folgende Pressemitteilung herausgegeben:

    Pressemitteilungen

    Im Einvernehmen mit dem Generalbundesanwalt teilt das Bundeskriminalamt mit – Spurenuntersuchung der im „NSU“-Verfahren sichergestellten Waffen war sachgerecht und umfassend

    Erscheinungsdatum 28.02.2014

    Einem FOCUS-Bericht vom 28.02.2014 zufolge sei die Suche nach daktyloskopischen Spuren an sieben der insgesamt elf im Bauschutt des am 4. November 2011 in Brand gesetzten Wohnhauses in Zwickau gefundenen Schusswaffen lückenhaft. Das Bundeskriminalamt (BKA) weist diese Behauptung entschieden zurück.
    Sämtliche Waffen wurden unmittelbar nach ihrem Auffinden zum BKA verbracht. Dort begutachteten Spezialisten die Waffen in einer sogenannten Spurenkonferenz unter anderem hinsichtlich der Möglichkeit einer Sicherung daktyloskopischer Spuren. Sieben Waffen waren für eine daktyloskopische Untersuchung durch die Hitzeeinwirkung, durch zum Teil gezündete Patronen in den eingeführten Magazinen sowie durch das Löschwasser entstandenen Rostbefall ungeeignet. Vier Waffen wurden nach Fingerspuren untersucht. An keiner Waffe konnten daktyloskopische Spuren gesichert werden.
    Die einzelnen Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchung an den elf Waffen sind in sogenannten Auswertevermerken festgehalten. Sämtliche Auswertevermerke befinden sich in den Ermittlungsakten. Das in dem Medienbericht genannte Schreiben des BKA aus dem Januar 2014 fasst lediglich den Verlauf der damaligen Begutachtung der elf Waffen zusammen.
    Die Behauptung, es seien erforderliche kriminaltechnische Untersuchungen an den Waffen unterblieben, ist falsch.

    https://www.bka.de/nn_196810/sid_0C7F398FDBDE6279580B1BFCDC3FDEBB/DE/Presse/Pressemitteilungen/Presse2014/140228__Klarstellung__Untersuchung__Waffen__NSU.html?__nnn=true

    Auf die bereits durch das LKA Sachsen durchgeführten daktyloskopischen Untersuchungen wird nicht eingegangen.
    Warum meinte das BKA, hier ausnahmsweise einmal seine Vorgehensweise rechtfertigen zu müssen?

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