Es ist Sommerpause, also ist viel Zeit für „ganz super Fragen an Beate Zschäpe„, eine ziemlich banale Veranstaltung, aber es ist auch Zeit, um eine Korruptions- und Agentenklamotte zu bloggen, die noch mehr zu bieten hat als FBI, DIA, Shooting incident und Mevluet Kar beim Polizistenmord in Heilbronn 2007.
Ob diese Klamotte stimmt, das wissen wir nicht. Amüsant ist sie allemal, und sie stammt aus dem Jahr 2016. Juli 2016, um genau zu sein, und sie fängt 25 Jahre vorher an mit einer Nachrichtenhändlerin, die aus der Stasi stammt. Nein, es geht nicht um die olle Stasi-Kahane, es geht um Christina Wilferling.
Das Bundeskriminalamt (BKA) prüft nach FOCUS-Informationen Hinweise auf einen ernsten Verratsfall beim Bundesnachrichtendienst (BND). Unter Verdacht steht ein Beamter aus der Russland-Abteilung, der sich des Öfteren mit einem wegen Bestechlichkeit verhafteten Hauptkommissar des Landeskriminalamts (LKA) von Mecklenburg-Vorpommern getroffen haben soll.
Der inhaftierte 60jährige Schweriner Beamte Heinz-Peter H. soll unter dem Einsatz von hohen Geldsummen vertrauliche Dokumente für den ukrainischen Oligarchen Dmytro Firtasch ,51, beschafft haben. US-Behörden werfen dem in Wien lebenden Gasmilliardär Korruption im Umfang von 18 Millionen Dollar vor.
Oligarch zahlte hohe Bestechungssumme
Die ermittelnde BKA-Abteilung für Schwere und Organisierte Kriminalität (SO) verdächtigt Heinz-Peter H. und die Berliner Unternehmensberaterin Christina W., für Firtasch entlastende Dokumente aus Sicherheitsbehörden besorgt zu haben. Dafür soll der Oligarch eine Bestechungssumme von 750.000 Euro bereitgestellt haben.
Der Schweriner LKA-Mann soll allein 200.000 Euro für seine Informationsbeschaffungen kassiert haben. Wie FOCUS berichtet, hielt sich Heinz-Peter H. mehrfach an den BND-Standorten Berlin und Pullach bei München auf, wo er den Geheimdienst-Experten aus der Russland-Abteilung mit dem Decknamen „Wandsbeck“ getroffen haben soll. Die Sicherheitsabteilung des BND befasst sich bereits mit dem Vorgang. Eine Sprecherin des Nachrichtendienstes lehnte auf FOCUS-Anfrage eine Stellungnahme ab.
Die mutmaßliche Haupttäterin Christina W., die den per US-Haftbefehl gesuchten Dmytro Firtasch seit Längerem kennt, beschaffte offenbar in Wien vertrauliche Informationen für ihren Auftraggeber. Zu ihren Kontaktleuten gehören unter anderem drei Beamte des Innenministeriums und des Inlandsgeheimdienstes, ein früherer Sicherheitschef von Altkanzler Gusenbauer und der Ex-Kommandeur der Polizei-Sondereinheit „Cobra“. Auch Christina W., die früher als Informantin für die DDR-Staatssicherheit gearbeitet hat, sitzt seit Ende April in Untersuchungshaft.
Echt dreist: ausgerechnet eine Stasi-IM schrieb Bücher über die Stasi… und das bereits 1990.
Beim NDR war 2008 dazu Interessantes zu lesen:
Anonymisiert werden in der ARD Studie jetzt selbst die, die ihre Spitzel-Dienste längst offen zugegeben haben. So zum Beispiel der „IM Gerhard Jäger“, alias Franz Köhler. Jahrelang war er auf den damaligen DDR-Korrespondenten Fritz Pleitgen angesetzt. In einem Fernsehinterview hatte er seine Spitzel-Tätigkeit öffentlich zugegeben. In der Studie wird er anonymisiert als Franz K. Auch er wird nicht mit vollem Namen genannt: Karl-Heinz Gerstner. In der DDR war er Moderator der Sendung „Prisma“, und für die Stasi arbeitete er unter dem Decknamen „Ritter“. Dabei hatte Gerstner bereits im Jahr 2000 offen in der „Berliner Zeitung“ über seine „Tätigkeit für die Stasi“ gesprochen. Und auch sie wird in der aktuellen Studie anonymisiert – die Journalistin Christina Wilkening. Als überzeugter Stasi-Spitzel war sie auf Kollegen aus dem Westen angesetzt. Nach der Wende hatte sie sich flugs zur Aufklärerin gewandelt. In ihrem Buch „Staat im Staate“ interviewte sie ehemalige Stasi-Mitarbeiter. Und im Vorwort schrieb sie: „Ich wollte wissen, wer waren diese Leute?“ Zur Aufklärung ihrer eigenen Stasi-Vergangenheit jedoch schweigt sie. Ausschnitt „Operation Fernsehen“ ARD, 2004: „Christina Wilkening setzt alles daran, ihr Vorleben als aktive Geheimdienstlerin zu verschleiern. Über Monate bitten wir um ein Interview. Über Monate hält uns Christina Wilkening alias „IM Nina“ hin.“
Und dieser „weibliche Geheimagent Werner Mauss“, grins, ist verhaftet worden, wegen einer LKA-BND-Affäre, die das BKA ermittelt? War Wilkening bereits vor 1990 für den BND tatig, oder erst danach?
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Da ist alles drin, was man für einen guten Agententhriller braucht:
Die Frau, Christina Wilkening, sitzt heute in Untersuchungshaft, genauso wie Heinz-Peter H., aber während der Polizist schweigt, sprudelt es aus ihr in den Vernehmungen nur so heraus. Ihre Schilderungen geben intime Einblicke in einen Agentenkrimi, der bis in die USA reicht. Es kommen vor: ein ukrainischer Oligarch, das amerikanische FBI, der Secret Service und vor allem der Bundesnachrichtendienst.
Denn der BND steckt ganz tief mit drin; der verhaftete Heinz-Peter H. stand sogar auf dessen Honorarliste. Sie alle ließen sich verstricken in die Geschäfte einer schillernden Frau, die schon
seit Jahrzehnten mit Geheimnissen dealt. Mal mit echten, mal mit falschen, so wie das eben läuft in einer Branche, die von der Paranoia lebt, dass nichts so ist, wie es scheint, und alle ständig das große Komplott vermuten.
Wann wird das verfilmt? Sind die Rechte bereits verkauft?
Etwas zu auffällig:
Als er dann im April aufflog, hatte er seinen neuen Mercedes noch fast gar nicht gefahren. In einem abgehörten Telefonat sagte H., er wolle lieber erst noch mit dem Auto seines Vaters zur Arbeit, sicherlich bis zum Mai – da saß er dann schon in Untersuchungshaft. Den Wagen sieht er wohl
nie wieder; die Polizei pfändete ihn gleich nach der Festnahme..
Besser, er hätte nur davon geträumt. Aber Heinz- Peter H. konnte wohl nicht anders, er musste ihn haben, diesen Mercedes C 450, aufgepumpt von AMG. 367 PS, von null auf 100 in fünf Sekunden. So eine MuckiMacho-Maschine, versteckt im Blech der Mittelklasse. Einen „Wolf im Schafspelz“ nennt er seinen schwarzen Benz. Ein Auto für Männer, die mehr sind, als man ihnen ansehen soll.
„Na, biste zufrieden mit deinem Auto?“, fragt ihn seine Tochter Mitte März, da wird Heinz-Peter H. schon abgehört. Er lacht kurz, seine Frau sagt: „Wer damit nicht zufrieden ist, also, den kannste mit der Bratpfanne erschlagen.“ Aber sie ahnt auch, dass da etwas nicht passt, denn für ihre Verhältnisse sei das sowieso schon „viel zu viel“.
Schließlich ist ihr Heinz-Peter ja nur Polizist beim Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern, Hauptkommissar mit 4200 Euro brutto im Monat. Und die Lebensversicherung, mit der sie Freunden erklären, wie sie sich so ein Auto leisten können, die gibt es nicht.Am 20. April stürmen Beamte des Bundeskriminalamts das Haus ihres Kollegen in Ludwigslust. In der Garage finden sie den Benz, 60000 Euro teuer, beim Händler bar bezahlt. Und im Navi den Eintrag „Kohlroulade“, der sie zur Quelle des Geldes führt. Das Codewort steht für eine Adresse in Brandenburg, für eine Gaststätte im 600-Seelen-Kaff Dabergotz: den Treffpunkt, an dem Heinz-Peter H. einer Nachrichtenhändlerin seit Jahren Informationen verkauft haben soll. Darunter auch Angaben aus dem Polizeicomputer. Dafür soll ihm die Dame mit besten Verbindungen in Halb-, Schein- und Geheimwelten insgesamt gut 461.000 Euro über den Tisch geschoben haben. In bar, im Briefumschlag.
Was für eine Story! Beim Focus waren es nur 200.000…
Seit 1984 war Wilkening bei der Stasi als Inoffizielle Mitarbeiterin (IM) „Nina“ registriert, angesetzt auf Westjournalisten. In ihren Akten findet sich das Lob eines Führungsoffiziers, IM „Nina“ sei in „hohem Maße mit vom MfS erhaltenen Aufträgen identifiziert“. Trotz zahlreicher Treffberichte bestreitet Wilkening bis heute, IM gewesen zu sein.
Mitte der Neunzigerjahre wanzte sich Wilkening nicht mehr an Stasi-Männer, sondern an Ermittler heran – mit sensationellen Neuigkeiten zum Tod von Uwe Barschel. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident sei tief in den internationalen Waffenhandel verstrickt gewesen, vermutlich habe ein bulgarisches Killerkommando ihn aus dem Weg geräumt. Dazu gebe es eine Geheimdienstakte in Moskau, ein KGB-Dossier mit dem Decknamen „Graf“.
Werner Mauss war in Barschels Todesnacht im Genfer Nachbarhotel, und weiss angeblich gar nichts, war auch nicht für den BND dort.
Demnach gab es eine direkte Spur von Barschel zu Oliver North und der Iran-Contra-Affäre. Die Akte „Graf“ tauchte nie auf.
Aber den Gas-Oligarchen aus der Ukraine haben sie um 520.000 Euro geprellt? Der 125 Mio Euro Kaution hinterlegte? Mit dem hatten Wilkening und der LKA-Mann einen Vertrag geschlossen, ihn aus dem Knast zu holen.
Die Verbindungen zum FBI hatten die „Befreiungshelfer“ jedoch gar nicht.
Egal, sie habe da zwei Juristen mit besten US-Verbindungen im Team, soll sie dem engsten
Firtasch-Berater weisgemacht haben. Das war geschwindelt, denn die angeblichen Juristen waren Heinz-Peter H. und dessen LKA-Kollege Philipp H., früher Personenschützer bei einem Landesminister.
Das Duo hatte auch nur bescheidene Kontakte in die USA, besser gesagt: Heinz-Peter H. gar keine; er sprach ja nicht mal Englisch. Philipp H. konnte wenigstens auf einen Schüleraustausch zurückblicken und hatte als Leibwächter schon mal mit einem echten Secret-Service-Agenten gesprochen.
Was für eine irre Geschichte!
Sitzen die gar in Schutzhaft?
Erst als das FBI beim österreichischen Verfassungsschutz nachhakte, wer eigentlich diese neuen Berater seien, stoppte Firtasch den Spuk. Seine US-Anwälte hatten ihn gewarnt. Sie könnten ihm nur helfen, wenn sie allein verhandelten. Jeder Versuch, an ihnen vorbei Hinterzimmergespräche zu vereinbaren, könne sich katastrophal für seine Chancen auswirken.
Tatsächlich ließen die Amerikaner den Haftbefehl später fallen; Firtasch hatte keinen Bedarf mehr für Wilkening. Ein gutes Ende für Firtasch, ein perfektes für Wilkening und ihre LKA-Helfer. Nichts erreicht, aber 520000 Euro abgestaubt, besser hätte es nicht laufen können.
Was für eine Geheimdienstklamotte!
Aust hatte schon recht:
Geheimdienste „dicken an“, das kann man aus solchen Gechichten lernen. Es wird gnadenlos übertrieben und aufgeblasen. Das sollte man gerade auch beim Jenaer Trio und dessen V-Mann Umfeld immer im Hinterkopf behalten. Nichts ist so, wie es scheint, und bei Weitem nicht alles stimmt, was da in Akten des Verfassungsschutzes und des Staatsschutzes steht.
So irre wie in dieser Realsatire muss es aber auch nicht immer sein.
„Die ermittelnde BKA-Abteilung für Schwere und Organisierte Kriminalität (SO) verdächtigt Heinz-Peter H. und die Berliner Unternehmensberaterin Christina W., für Firtasch entlastende Dokumente aus Sicherheitsbehörden besorgt zu haben.“
Das heißt im Klartext:
Es gibt „entlastende Dokumente“.
Also ist die Zielperson evtl. gar unschuldig.
Was erlaubt die sich?