Die gescheiterten Bombenbauversuche der Islamisten zwischen 2006 und 2012

Ein Gastbeitrag von Prof. pi2

Bebilderung und Verlinkung durch AK NSU

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Auf Focus-online kann man am 03.04.2010 zum Sauerland-Urteil u. a. folgendes lesen:

Die Islamisten hatten nach eigenem Eingeständnis in den Jahren 2006 und 2007 im Auftrag der Islamischen Dschihad Union (IJU) in Deutschland Autobomben-Anschläge auf US-Soldaten in Diskos, Kasernen und Flughäfen geplant. Dabei sollten mindestens 150 amerikanische Militärangehörige sterben.

„Einen Anschlag von einem solchen Ausmaß hat es in Deutschland noch nie gegeben und auch nicht die Verabredung zu einem solchen Anschlag“, betonte der Vorsitzende Richter Ottmar Breidling in seiner Urteilsbegründung. In den Köpfen der Angeklagten habe die Vorstellung von einem „ungeheuren Blutbad“, einem „zweiten 11. September“ herum gespukt.

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Das Verfahren habe mit erschreckender Deutlichkeit gezeigt, „zu welchen Taten hasserfüllte, verblendete und von verqueren Dschihad-Ideen verführte junge Menschen bereit und in der Lage sind“, betonte der Vorsitzende Richter. Dabei hätten den verblendeten Extremisten lückenhafteste Kenntnisse des Islams gereicht, um sich zu Todesengeln zu erheben und ohne Skrupel, ja mit höchster Begeisterung Hunderte Menschen im Namen ihrer Religion als Ungläubige und als Feinde des Islams zu töten.

Breidling bezeichnete den weltweiten islamistischen Terrorismus als „Geißel unserer Zeit“: Es gebe offenbar auch im Westen zahlreiche verführbare oder schon verblendete junge Männer, die bereit seien, „ihr eigenes Leben für ihre wirren Dschihad-Ideen zu opfern.“

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Richter Breidling spricht von Taten, zu denen verführte junge Menschen „in der Lage sind“.
Das sehe ich anders.

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Hier wurde eine Art von „Terror-Management“ betrieben, nach dem Vorbild des US-amerikanischen „Homegrown terrorism“- betreutes Bombenbauen. Eine geheimdienstliche Steuerung ist bei der Sauerlandgruppe deutlich erkennbar und in den anderen beschriebenen Fällen nicht auszuschließen.

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Betreutes Bomben, so nennt Andreas von Bülow das:

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2007: Die „Sauerlandgruppe“

Nach Aussage von Fritz G. (Geständnis von Fritz Gelowicz am 10. / 11. 08.2009) soll die CIA, die als Hinweisgeber der deutschen Behörden auftrat, angeblich von den geplanten Terroranschlägen durch eine abgefangene E-Mail erfahren haben, die die Ausbildungsinhalte aus dem Terrorcamp enthielt. Im Camp in Waziristan soll die Gruppe u. a. das Stecken der benötigten Verzögerungsschaltung (geplante Fernzündung mit einem Handy) geübt haben.

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Dann hätte man der Sauerlandgruppe doch sinnvollerweise auch die Schaltpläne mitschicken sollen, was aus unerklärlichen Gründen nicht geschehen ist. Die unfähigen Bombenbauer taten sich mit dem Aufbau der elektronischen Schaltung extrem schwer, die Skizzen waren unvollständig und fehlerhaft, wie aus der im Prozess gezeigten BKA- Beweis-Vorlage ersichtlich wurde. Anhand einer entsprechenden Internetseite wollten sie die von ihnen entwickelte Schaltung dann auf ihre Funktionstüchtigkeit hin überprüfen lassen.

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Sie hatten verschiedene elektrische Bauteile bei Elektro-Conrad in Dortmund gekauft, darunter Thyristoren, Dioden,… Außerdem besaßen sie ein Physikbuch und eine Anleitung für ein Mehrfachmessgerät. Die Sauerland-Terroristen hatten bereits Probleme, die physikalischen Größen Stromstärke und Spannung auseinanderzuhalten und kamen mit ihren Bemühungen nicht so recht weiter. Die zu einem anderen Zeitpunkt vorgelesenen Abhörprotokolle sollen dies verdeutlicht haben.

Ursprünglich wollte Fritz G. als Dschihadist nur im Ausland kämpfen, in Tschetschenien, im Irak oder in Afghanistan. Im Terrorcamp, so berichtete er, habe man ihm dann Anschläge in Deutschland vorgeschlagen und ihn mit der Begründung hiervon überzeugt, seine Glaubensbrüder und er seien die einzigen, die die IJU zur Zeit dafür in Deutschland zur Verfügung habe. Die Bedenken von Fritz G., sie seien nicht geeignet und außerdem dem Verfassungsschutz bereits bekannt, interessierten die IJU-Strategen des Camps nicht.

Über die Übungen zur Sprengstoffherstellung und die Probesprengungen berichtete Fritz G. – im Einvernehmen mit dem BKA- wie er selbst sagte, nichts Genaueres. Er erwähnte nur, dass sie in den drei verschiedenen Häusern in Waziristan verschiedene Sprengstoffe hergestellt hätten, der letztendlich ausgewählte Wasserstoffperoxid-Mehl- Sprengstoff sei einer davon gewesen. Sie hätten eine kleinere Menge (Reagenzglasmaßstab) und eine größere Menge zur Explosion gebracht. In Deutschland hätten sie sich dann für dieses explosionsfähige Gemisch entschieden, weil sie keine Möglichkeit gesehen hätten, die Chemikalien für die „Alternativbomben“ zu besorgen.

An einem der anderen Prozesstage habe ich u. a. aus der Vorlage der Beweise aus dem Ferienhaus durch das BKA erfahren, dass zum Einkochen der Wasserstoffperoxid-Lösung von 35% auf 70 % Silit-Töpfe von Karstadt verwendet werden sollten, auf einer Herdplatte mit einer Dunstabzugshaube. Es waren nur Haushaltshandschuhe zum Umfüllen vorhanden, keine Atemschutzgeräte, keine Schutzbrillen. Der Sprengstoff, d. h. die 70-prozentige Wasserstoffperoxid-Lösung und das Mehl sollten im Verhältnis 2:1 gemischt werden, allerdings erst beim „Zusammensetzen“ der Bombe kurz vor der beabsichtigten Zündung. Das hochkonzentrierte Wasserstoffperoxid ist in schwarzen Müllsäcken luftdicht verpackt lagerungsfähig. Die hierfür vorgesehenen Säcke sind als Beweismittel im Ferienhaus gesichert worden.

Aus der Aussage von Daniel Schneider habe ich erfahren, dass es bei dem Wasserstoffperoxid-Einkochen mehrfach zu Verpuffungen gekommen sein soll, weil bei der im Erdboden eingelassenen Heizspirale im Hof des Terrorcamps die Temperatur nicht reguliert werden konnte.
Schneider und Gelowicz äußerten sich unzufrieden darüber, dass der Chemiker des Terrorcamps so wenig Zeit für sie hatte. Der „Chemieunterricht“ sei beständig ausgefallen.

Woher wollen die Terror-Azubis eigentlich gewusst haben, ob das für die Probesprengung verwendete Gemisch ein Produkt ihres eigenen Koch-Ansatzes gewesen ist? Ich habe da so meine Zweifel!

Das Einkochen der Wasserstoffperoxid-Lösung hat – trotz der angeblich zusätzlich vorhandenen Stabilisatoren- bei nicht ganz behutsamem Erhitzen zumindest eine teilweise Zersetzung des Wasserstoffperoxids zu Wasser und Sauerstoff zur Folge, was die Mischung unbrauchbar macht, selbst wenn sie noch nicht verpufft ist.

Die Sprengstoffspezialisten vom BKA sollen diese Herstellungsmethode mit denselben Ausgangsstoffen erfolgreich nachgestellt haben, das Video mit der Demonstrationssprengung wurde an einem anderen Tag vor Gericht vorgeführt (ich habe es nicht gesehen.) Ich glaube schon, dass das so stimmt. Allerdings frage ich mich, wie die Sauerland-Gruppe die Sprengstoffherstellung in den Riesenmengen hätte bewerkstelligen wollen, ohne nach kurzer Zeit an schweren Atembeschwerden zu leiden, bei ständigem Austausch der löchrig werdenden Silit-Töpfe und immer wieder auftretenden Wasserstoffperoxid-Verpuffungen.

Es gehört einiges an experimentellem Geschick dazu, letzteres zu verhindern. Mit einem Messbecher sollte das Verdampfen des Wassers nachgemessen werden. Eine Waage zur erforderlichen Bestimmung der Dichte fehlte. Die 35-prozentige Wasserstoffperoxid-Lösung war ja ohnehin bereits gegen eine verdünnte (3-prozentige) ausgetauscht worden, der die BKA-Spezialisten Kochsalz zugesetzt hatten, damit die Dichte genauso groß ist wie die der 35-prozentigen Lösung.

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Quelle: Interpol

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Zu Mevlüt K. erklärte Fritz G., ihnen allen sei bekannt gewesen, das Mevlüt K. mit dem türkischen Geheimdienst zusammenarbeitete. Sie hätten nur eben gedacht, dass K. auf ihrer Seite stünde.

Breidling meinte dazu „Da haben Sie dann gedacht, gut dass der beim Geheimdienst ist, …“ Die Zünder hatte Attila Selek besorgt, der ansonsten aus dem Terror-Projekt zu diesem Zeitpunkt laut Fritz G. bereits ausgestiegen sein soll. Fritz G. spricht kein türkisch und konnte daher die Gespräche in der Türkei nicht verstehen.

Gelowicz will von einer möglichen Steuerung durch Geheimdienste nichts bemerkt haben, gab aber der Sache nach zu, dass er auch das Gegenteil nicht behaupten könne.

Beim Besuch des Tags der Offenen Tür beim BKA in Wiesbaden im Juni 2010 habe ich mit einem zuständigen Ermittler im Sauerlandverfahren sprechen können. Dieser bestätigte die Unfähigkeit der Sauerlandgruppe ganz offen und ohne Umschweife. Die hätten mit ihren Fähigkeiten niemals eine funktionstüchtige Bombe gebaut, aber es sei ja schließlich bei der Verurteilung auf den Vorsatz angekommen.

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2011: Die „Düsseldorfer Zelle“

http://de.wikipedia.org/wiki/D%C3%BCsseldorfer_Zelle

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http://www.taz.de/!98204/

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Ein Geldbeschaffer, Internetbetrüger und Terror-Azubi der Zelle wurde in Bochum medienwirksam durch die GSG 9 verhaftet. Er hatte 5000 € zwecks Finanzierung der Terror-Zelle aufgebracht, die weder konkrete Anschlagspläne noch Waffen oder einen vollständigen Chemikaliensatz zur Herstellung von Sprengstoffen besaß. Der angeblich bereits gekaufte Grillanzünder ist zum Auslösen einer Explosion erdenklich ungeeignet.

Allerdings kann man einen Hexamin-haltigen Grillanzünder als Ausgangsstoff für die Herstellung des Initialsprengstoffs HMTD verwenden. Das geht aber nicht ohne 30-prozentige Wasserstoffperoxid-Lösung und Zitronensäue. Ich habe vor ein paar Jahren mal ein Gramm Hexamethylentriperoxiddiamin nach einer Internet-Anleitung des „Hobbysprengstoffchemikers“ Roland Ionas Bialke (Das Lehrbuch der Sprengmeister) hergestellt. Das ist eine einfache Synthese, die Sprengkraft ist schon bei kleinsten Mengen beeindruckend! Es ist allerdings nicht ganz einfach, an 30-prozentige Wasserstoffperoxid-Lösung zu kommen, wenn man nicht gerade Chemiker ist. Ob man die Hexamin-haltigen Grillanzünder noch kaufen kann, weiß ich nicht. Ich habe schon länger nicht mehr danach gesucht.

Bei taz.de steht hierzu am 21.07.2012 unter dem Titel

http://www.taz.de/!97718/

Düsseldorfer Zelle vor Gericht Im Grillanzünder fehlte das Hexamin

„Die Grillanzünder taugten nichts. Dabei steht in den Anleitungen von al-Qaida, dass man aus den Dingern Hexamin für den Bombenkatalysator heraus kochen kann, den sogenannten Initialsprengstoff. Doch mit den deutschen Grillanzündern, die die Gruppe um Abdeladim El-K. im Supermarkt gekauft hatte, klappte das nicht. In ihnen steckte kein Hexamin, sondern nur untaugliches Paraffin.“

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2012: Die „Bonner Bombe“

http://de.wikipedia.org/wiki/Sprengsatzfund_am_Bonner_Hauptbahnhof_2012

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Nach einer Bombenbauanleitung im Internet wollten die Islamisten mit Hilfe von Ammoniumnitrat, handelsüblichen Butangas-Kartuschen, Batterien und einem Wecker einen funktionsfähigen Sprengsatz herstellen. Dieses „Bauwerk“ haben die Terroristen garantiert vor der Verwendung in keiner Vorgängerversion getestet, sonst hätten sie bemerkt, dass die Anleitung unbrauchbar oder unvollständig ist bzw. festgestellt, dass sie besser doch nichts weglassen sollten.

Oder sie haben das Wort „Booster“ gelesen und wussten nicht, was das sein soll.

War denn in der Anleitung keine Zusammensetzung oder Synthese des Boosters beschrieben? (Booster ungleich Birne!) Ohne Booster keine Zündung, denn Ammoniumnitrat ist einer der am schwersten zu zündenden Explosivstoffe, vollkommen unempfindlich. Kommerzielle Booster enthalten beispielsweise 100g einer Mischung aus TNT / PETN. Ein Booster kann auch aus einer Mischung eines Initialsprengstoffs wie beispielsweise HMTD mit TNT oder RDX hergestellt werden. Und das ist alles nicht ganz einfach, man benötigt die entsprechenden Chemikalien wie u. a. 30%-iges Wasserstoffperoxid, hochkonzentrierte Salpetersäure…

Eine Zündung von Ammoniumnitrat mit einer kleinen Sprengkapsel aus HMTD und einem Widerstandsdraht (z. B. aus einer Lichterketten-Lampe, nicht einer viel zu großen Glühlampe!) ist nur dann möglich, wenn dem Ammoniumnitrat im passendem Verhältnis Aluminiumpulver und Kohlepulver zugesetzt wird. Der Sprengstoff ist unter dem Namen AMMONAL bekannt.

Der verwendete Wecker passte wie in den Medien berichtet zu einer Bombenbauanleitung aus dem englischsprachigen Internet-Magazin „Inspire“ – die Zündung mit einem analogen Wecker mittels Batterie und Nagel im Zeigerblatt ist im Inspire-Magazin Issue 1 (Summer 1431/ 2010) abgebildet, mit der zugehörigen Schaltung. In den Ausgaben 1-9 habe ich jedoch keine Ammoniumnitrat-Rohrbombe beschrieben gefunden. In Band 1 ist unter dem Titel „Make a bomb in the kitchen of your Mom“ eine Rohrbombe mit einer Mischung aus abgekratzten Streichholzköpfen (Kaliumchlorat) und Zucker beschrieben, alternativ als Füllung Schwarzpulver.

Die Schwarzpulver-Variante explodiert nur bei sehr guter Abdichtung der Zünd-Zuleitungen. Außerdem ist bei Verwendung von Schwarzpulver die Sprengkraft nicht allzu groß, was man bei der in der Keupstraße in Köln verwendeten „NSU“-Bombe sehen konnte. Die Keupstraßen-Bombe bestand im Unterschied zu den im Inspire-Magazin vorgeschlagenen Rohrbomben (alternativ vorgeschlagen: Dampfdrucktöpfe) aus einer mit Schwarzpulver gefüllten und mit Nägeln bestückten Gasflasche mit Fernzündung, also technisch aufwendiger. Die Nägel machen solch eine Bombe in ihrer Wirkung gefährlicher, allerdings nur in einem geringen Radius.

Klar ist nicht, warum bei der Bonner Variante der Ammoniumnitrat-Bombe eine fette Glühbirne verwendet wurde, die wurde in Band 4 des Inspire-Magazins zwar als Zünder vorgeschlagen, allerdings zum Auslösen einer Gasexplosion in Gebäuden. [Zwickau… 4.11.2011… These… fatalist]

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Überhaupt scheinen die Autoren des Magazins „Inspire“ zur Beschreibung chemischer Synthesen auf Fachleute zurückzugreifen, die den Bombenbauern auch mal gerne Himmelfahrtssynthesen nahe bringen. So wird den Lesern von Issue 6, Summer 1432/ 2011 die Herstellung von Acetonperoxid vorgestellt.

Dr. Khateer schlägt die Trocknung der synthetisierten Acetonperoxid-Kristalle im Sonnenlicht vor! Man entferne sich rechtzeitig!

Acetonperoxid gehört zu den reibungsempfindlichsten Initialsprengstoffen überhaupt, nach Iodstickstoff, sublimiert bei Raumtemperatur, zersetzt sich auch von alleine und detoniert selbst noch mit 25% Wasser-Anteil!
Wie schreiben sie im „Inspire“-Magazin doch so oft und gerne: „May Allah assist you“ oder „die Hoffnung stirbt zuletzt“!

Acetonperoxid (auch bekannt als APEX oder TATP) ist ein hochexplosiver Stoff mit der Schlagempfindlichkeit eines Initialsprengstoffs.

Wie die meisten organischen Peroxide ist auch Acetonperoxid instabil und kann durch Stoß, Wärme oder Reibung zerfallen und heftig detonieren, ist aber im Unterschied zu weniger gefährlichen Peroxiden wie Dibenzoylperoxid viel empfindlicher gegen Schlag und Wärme.

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Himmelfahrtssynthesen…

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Versuchte Bombenanschläge vom 31. Juli 2006 

Die versuchten Bombenanschläge vom 31. Juli 2006 waren ein fehlgeschlagener islamistischer Terroranschlag auf deutsche Eisenbahnzüge. Die zwei eingesetzten Kofferbomben waren jedoch konstruktionsbedingt nicht explosionsfähig.[1]
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Der erste fehlgeschlagene terroristische Anschlag mit islamistischem Hintergrund geschah bereits 2006, als zwei nicht explosionsfähige Kofferbomben in Nahverkehrszügen in Dortmund und Koblenz abgestellt wurden.

Erst kürzlich habe ich zur hier verwendeten Camping-Gasflaschenbombe eine brauchbare Anleitung im Internet gefunden, im Inspire-Magazin Issue 12, Spring 2014 / 1435 unter dem Titel „Car bombs inside america“.
Daher möchte ich diese Konstruktion und ihre dilettantische Umsetzung hier als letztes diskutieren.

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2006: Die „Kofferbomber“

Es muss ein explosionsfähiges Propangas-Sauerstoff-Gemisch vorhanden sein. Der Explosionsbereich liegt in Luft zwischen 2 und 9,5 Volumenprozent Propangas. Also hätten die Kofferbomber in eine fast leere Propangasflasche viel Sauerstoff oder in eine Sauerstoffgasflasche ganz wenig Propangas einfüllen müssen. Laut BKA besaßen sie hierzu eine brauchbare Anleitung (Video) aus dem Internet.

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Nachbau einer der am 31. Juli 2006 in den Regionalzügen der Deutschen Bahn von Aachen nach Hamm und Mönchengladbach nach Koblenz gefundenen Kofferbombe, Wanderausstellung des Bundesamt für Verfassungsschutz. Quelle: Wikipedia

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Das Benzin soll nicht zur Auslösung, sondern zur Verstärkung der Explosion gedacht gewesen sein. Jede deutsche Propangasflasche ist mit einem Sicherheitsventil versehen, das so eingestellt ist, dass die Fasche bei einem langsamen Druckanstieg abbläst.
Das Prinzip des Sicherheitsventils der Gasflasche soll durch eine abenteuerliche Manipulation an der Flasche außer Kraft gesetzt worden sein.
Die Täter sollen geglaubt haben, sich die Umsetzung “einfacher” machen zu können, und daran soll der Versuch dann gescheitert sein. (nach Angaben von Holger Schmidt, SWR-Terrorismus-Bog).

Den Umfüllvorgang von der Sauerstoffflasche hin zur Propan- oder Butangasflasche halte ich für nicht ganz ungefährlich. Es ist nicht auszuschließen, dass der sogenannte Druckstoß beim Umfüllen zu einer Erhitzung des Sauerstoffs und damit zu einer Entzündung des Gemischs führen kann. Eine Sauerstoffgasflasche mit ganz wenig Propangas zu füllen ist umgekehrt aufgrund der Druckunterschiede nicht möglich, weil der Druck in Sauerstoff-Gasflaschen ca. zehn Mal so groß ist wie der Druck in einer Propan- oder alternativ Butan-Camping-Gasflasche (30 Liter).

In Wikipedia liest man zu den versuchten Bombenanschlägen vom 31. Juli 2006 u. a. folgendes:

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„Die Bomben bestanden unter anderem aus einem Zeitzünder, einer Gasflasche und einem Behältnis mit Benzin, die in einem Rollkoffer verborgen waren. Ein echter Explosivstoff war, außer der kleinen Menge Initialsprengstoff im Zünder, nicht enthalten, ebenso fehlte eine Sauerstoffquelle, welche mit dem Benzin und/oder Gas ein explosionsfähiges Gemisch ergeben könnte (der Sauerstoffpartialdruck der normalen Raumluft ist nicht hoch genug, um eine solche Konstruktion zum Explodieren zu bringen). Die Bomben waren von den Tätern im Kölner Hauptbahnhof in zwei Regionalbahnen mitgenommen worden…

Sie enthielt elf Liter Butangas in einer Gasflasche, 4,5 Liter Benzingemisch, einen Wecker und Drähte…

Auf einer gelöschten Festplatte fanden Fahnder des Bundeskriminalamtes einen Bomben-Bauplan, der den beiden verdächtigen Libanesen Dschihad Hamad und Youssef Mohamad el-Hajdib als Anleitung für den Bau ihrer Sprengsätze gedient haben könnte.
Der einundzwanzigjährige Youssef Mohamad al-Hajdib wurde am 19. August 2006 um 3:53 Uhr in einem Bahnhofs-Restaurant in Kiel festgenommen und in Untersuchungshaft überstellt. Er stammt aus dem Libanon. Er lebte seit 2004 in Deutschland, studierte seit Februar 2005 Mechatronik an der Fachhochschule Kiel und wohnte in einem Studentenwohnheim. Im Sommer 2007 erhob die Bundesanwaltschaft Anklage gegen ihn. Den entscheidenden Hinweis zu seiner Festnahme erhielten die deutschen Behörden vom libanesischen militärischen Nachrichtendienst, der dem mutmaßlichen Terroristen durch abgehörte Telefonate auf die Spur kam.“

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Wie bei der Sauerlandgruppe kam der Hinweis aus Geheimdienstkreisen.

In der Anleitung aus dem Inspire-Magazin wird beschrieben, dass der Druck einer Camping-Gasflasche durch Ablassen des Gases über ein geeignetes Manometer auf drei bar gesenkt wird. Über ein besonderes Verbindungsstück oder einen Gas-Regulier-Aufsatz, dessen Verschraubung zur Gasflasche aufgebohrt wurde, soll dann die Camping-Gasflasche über einen Schlauch mit dem Druckminderer der Sauerstofffasche verbunden werden. Es soll Sauerstoff eingefüllt werden, bis sich der Druck der Campinggasflsche auf 12 bar erhöht hat. Anschließend soll der Zünder in die offene Anschlussseite des Gasregulier-Aufsatzes oder Verbindungsstücks eingesetzt und mit Hilfe eines Klebers abgedichtet werden.

Als Zünder wird eine aufgebrochene Lampe einer Lichterkette vorgeschlagen, in die das Kaliumchlorat von Streichholzköpfen gefüllt werden soll. Die elektrische Zündung erfolgt über eine 12-Volt-Batterie, für Nicht-Selbstmordattentäter wird eine Zeitzündung nach den Anleitungen der Inspire-Issues 1 oder 9 empfohlen.

Ich weiß nicht, ob das BKA auch diese Bombe erfolgreich nachgebaut hat. Leider kann ich die Anleitung aufgrund des nicht unerheblichen Risikos und der auch für mich geltenden Gesetze nicht überprüfen.

Wer hat die Terroristen nur auf die idiotische Idee gebracht, man könne den Sauerstoff in der Butangasflasche weglassen und sich damit den aufwendigen risikoreichen Umfüllvorgang ersparen? Wofür hatten diese Terror-Dilettanten dann überhaupt eine Anleitung?

Wenn das BKA eine brauchbare Bombenbauanleitung gefunden hat, muss man sich fragen, welche es gut meinende „Kontaktperson“ die Idee geäußert hat, dass die in der Gasflasche nicht vorhandene Raumluft ebenfalls ein explosionsfähiges Gemisch erzeugen könnte.

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Die an Dilettantismus gescheiterten bzw. durch den angeblich so glorreichen Einsatz von Geheimdiensten und Sicherheitsbehörden vereitelten Bombenanschläge hatten das Ziel, die deutsche Bevölkerung von der Notwendigkeit des Kampfes gegen den Terror zu überzeugen:

Beteiligung an NATO-Einsätzen, extralegale Hinrichtung von Terrorverdächtigen durch Drohnen, Ausweitung der Überwachung usw.
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Bombenbau nach Anleitungen aus dem Internet lässt sich gut überwachen. Dieser Terror kann gesteuert werden. Anschläge lassen sich rechtzeitig, mittlerweise sogar schon bei den ersten Schritten der Vorbereitungsphase medienwirksam verhindern, da durch die Gesetzesverschärfungen bereits der Besitz von Bombenbauanleitungen sowie die Vorbereitungshandlung strafbar ist, auch ohne dass die gebaute oder zu bauende Bombe auch nur im entferntesten funktionstauglich zu sein braucht. Wie praktisch, wenn nur der Vorsatz zählt und nicht einmal gefragt wird, wer bei der Radikalisierung so alles nachgeholfen hat.

Bei dem neuen Terror wie bei Charlie Hebdo sieht es anders aus. Anschläge durch Einzeltäter, die Waffen oder kommerziellen Sprengstoff verwenden, lassen sich kaum verhindern. Die Geheimdienste haben die erhoffte Kontrolle über den Terror längst verloren.

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Vielen Dank, das ist ein sehr fachkundiger Beitrag.

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